Deutschland

Gewalt gegenüber Kindern in Kitas hat stark zugenommen

Festgebunden, zum Essen gezwungen oder vernachlässigt: Seelische und körperliche Gewalt gegenüber Kindern nimmt in Kitas zu, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. In einigen Bereichen haben sich die Meldezahlen mehr als verdoppelt. Am Freitag entscheidet der Bundesrat über das "Kita-Qualitätsgesetz".
Gewalt gegenüber Kindern in Kitas hat stark zugenommenQuelle: www.globallookpress.com © Michael Reichel/dpa/ Global Look Press

Seit 2013 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder nach dem ersten Geburtstag, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996. Während dieser Anspruch laut einer im Oktober veröffentlichten Bertelsmann-Analyse auch im kommenden Jahr nicht erfüllt wird, gibt es einen weiteren Problembereich für einige der Kinder und Eltern, die es trotz sechsstelligen Mangels an Plätzen geschafft haben, ihre Kinder in einer Kita unterzubringen: Zunehmende Gewalt gegen und Vernachlässigung von Kindern.

Wie der Bayrische Rundfunk (BR) unter Berufung auf eine Umfrage unter 59 Kitaaufsichtsbehörden in Bayern berichtet, haben die Meldungen zu seelischen und körperlichen Misshandlungen stark zugenommen. Im vergangenen Jahr wurden 129 Verdachtsfälle gemeldet, in diesem Jahr bereits 232.

Besonders in den Bereichen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht (2021: 24 Fälle, 2022: 57 Fälle) und seelische Gewalt (2021: 16 Fälle, 2022: 32 Fälle) wurde demnach ein deutlicher Anstieg verzeichnet. Auch die Meldungen von körperlicher Gewalt gegenüber Kindern sind innerhalb eines Jahres von 43 auf 59 gestiegen. Insgesamt haben 21 Kitaaufsichten im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben keine Meldung erhalten, in diesem Jahr sind es nur 11.

Jede der 59 befragten Aufsichtsbehörden leidet den Angaben zufolge unter Personalmangel, was laut der Einschätzung der größte Risikofaktor für Gewalt gegen Kinder ist.
"Das liegt an der ständigen Überlastung der Kollegen und an immer mehr Krankmeldungen, die wiederum mehr Stress für das übrige Personal zur Folge haben – und dann kann es zu mehr Grenzverletzungen kommen", so  eine Sprecherin vom Verband Kita-Fachkräfte Bayern gegenüber dem BR.
Dabei gebe es womöglich sogar eine noch höhere Dunkelziffer, da nur wenige Erzieherinnen die Vorfälle der Kitaleitung, dem Träger oder sogar der Kitaaufsicht melden, während die befragten Behörden zwar angaben, Meldungen erhalten zu haben, diese aber nicht zu zählen.

Auch Markus Hanisch, GEW-Berlin-Geschäftsführer kritisiert gegenüber der Deutschen Presse-Agentur nicht mehr haltbare Bedingungen.

"An allen Ecken und Enden herrscht Personalmangel, der kompensiert werden muss."

In Ganztagsschulen müssten sich Erzieher in der Nachmittagsbetreuung teilweise um 50 Kinder kümmern, obwohl es laut Personalschlüssel höchstens 22 Kinder sein sollten. Auch viele Lehrkräfte hätten das Gefühl, dass ihnen mehr zugemutet werde, als sie leisten könnten.

"Da geht es nur noch um Verwahrung. Man kann dem Anspruch an die eigene Arbeit nicht mehr gerecht werden."

Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz und einer niedrigen Milliardensumme für mehr Qualität bei der Kindertagesbetreuung sorgen. Der Bund stellt den Ländern in den kommenden zwei Jahren fast vier Milliarden Euro zur Verfügung. Sie sollen das Geld größtenteils dafür nutzen, um "Handlungsfelder von vorrangiger Bedeutung" voranzubringen: Dazu gehören etwa die Förderung von frühkindlicher Bildung, guter Ernährung oder sprachlicher Entwicklung. Nach wochenlangen Debatten hatte der Bundestag Anfang Dezember das sogenannte Kita-Qualitätsgesetz beschlossen. Für den Regierungsentwurf stimmten die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie überraschend auch die AfD. Die Abgeordneten der Union lehnten das Vorhaben ab, die Linke enthielt sich.


Laut Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist die Zahl der Kinder, die bis zu ihrer Einschulung in Kitas betreut werden, in den vergangenen 15 Jahren um mehr als 30 Prozent auf 3,4 Millionen gestiegen. Im Jahr 2021 seien zudem mehr als 860.000 Menschen in Kitas und in der Tagespflege tätig gewesen. "Mehr Menschen als in der Automobilindustrie", sagte Pauls dazu.


Teils heftige Kritik kam aus der Opposition. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Dorothee Bär (CSU), warf der Regierung "Etikettenschwindel" vor. Der Ampel gehe es in Wahrheit nicht um eine bessere Qualität, sondern ausschließlich darum, Eltern von Kita-Beiträgen zu entlasten, meinte Bär. Nur dafür solle das Geld ausgegeben werden. "Das ist ungeheuerlich." Diese Behauptung wiesen Politiker der Ampel-Fraktionen scharf zurück.

Die Linke hingegen kritisierte, dass der Bund nicht genügend Geld in die Hand nehme. "Das ist kein Qualitätsgesetz, das ist ein Kürzungsgesetz", monierte die Linken-Familienpolitikerin Heidi Reichinnek. Ihre Fraktion forderte sechs Milliarden Euro jährlich anstelle der knapp zwei Milliarden. Für andere Bereiche sei schließlich auch sehr viel Geld da. "Wo ist das Sondervermögen für Kinder?", fragte Reichinnek in Anspielung auf das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr.


Kritik kam auch aus den Reihen der AfD-Fraktion – die am Ende aber für den Gesetzentwurf stimmte.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag ist noch nicht die letzte Hürde genommen: In seiner nächsten regulären Sitzung am 16. Dezember muss der Bundesrat dem Kita-Qualitätsgesetz noch zustimmen – sonst kann es nicht in Kraft treten. Um den Ländern entgegenzukommen, hatte die Ampel zuletzt noch einige Änderungen vorgenommen.
So wird der Bund etwa das Förderprogramm "Sprach-Kitas", anders als zunächst geplant, noch bis zum Sommer 2023 weiterfinanzieren. Dann sollen die Länder nach dem Willen von Paus die Finanzierung fortsetzen. Ursprünglich sollte die Bundesförderung bereits zum Jahresende auslaufen – was viele Länder verärgert hatte.


Auch in einem anderen Punkt gab die Ampel nach. In einer ursprünglichen Fassung sollte das neue Gesetz die Länder dazu verpflichten, die Kita-Gebühren künftig nach bestimmten sozialen Kriterien wie etwa Einkommen der Eltern oder Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder zu staffeln. Doch dies soll nun unverändert bleiben. Ob das letztendlich reicht, um das Gesetz auch durch den Bundesrat zu bringen, wird sich am Freitag zeigen.

Zwischenzeitlich berichtete der Bayrische Rundfunk, dass alle Kitas in Bayern ein Kinderschutzkonzept abgeben sollen, um Gewalt zu verhindern.

Mehr zum Thema – Caritas-Bericht: Jedes dritte Kind ist durch die Corona-Krise psychisch auffällig geworden 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.