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Wie Russland die erste Verteidigungslinie der Ukraine im Donbass durchbrechen kann

Vor dem Hintergrund des Abzugs aus Cherson haben die russischen Truppen einige Lokalerfolge im Donbass erzielt. Diese könnten sich zu einer größeren Offensive gegen die ukrainischen Befestigungen in der Region entwickeln.
Wie Russland die erste Verteidigungslinie der Ukraine im Donbass durchbrechen kannQuelle: Sputnik © Wiktor Antonjuk

Eine Analyse von Aljona Sadoroschnaja und Jewgeni Posdnjakow

Die russischen Streitkräfte behalten die Angriffsinitiative im Donbass bei. Befreit wurden die Siedlung Majorsk in der Nähe von Gorlowka und das Dorf Pawlowka bei Ugledar, wo sich das ukrainische Militär seit 2014 verschanzt hatte. Ugledar selbst ist aufgrund seiner Lage auf einer herrschenden Höhe von großer Bedeutung. Die Kontrolle darüber ermöglicht den russischen Streitkräften, den ukrainischen Verband in Awdejewka von hinten anzugreifen. Wie können russische Truppen den gut vorbereiteten Gegner aus diesem Gebiet zurückschlagen?

Am Sonntag hatte Russlands Verteidigungsministerium die Einnahme der zehn Kilometer von Gorlowka entfernten Siedlung Majorsk gemeldet. Wie der Donezker Abgeordnete Wladislaw Berditschewski der Zeitung Wsgljad berichtete, wird die Kontrolle über diesen Eisenbahnknotenpunkt die logistischen Möglichkeiten der ukrainischen Armee einschränken und die russische Offensive im Süden des Donbass auf Ugledar über das in der vergangenen Woche befreite Pawlowka erleichtern.

Nach Ansicht des Kommandanten der Spezialeinheit "Achmat" Apty Alaudinow wird Pawlowka zu einem Aufmarschgebiet für weitere Vorstöße. Das Dorf wurde von Verbänden der Pazifikflotte und des Innenministeriums der DVR unter Kontrolle gebracht. Dabei versuchten ukrainische Militärs mehrmals, die verlorenen Stellungen zurückzuerobern, allerdings erfolglos.

Wie der Donezker Historiker und Politologe Wladimir Kornilow erklärte, hatten die ukrainischen Streitkräfte Ugledar vor acht Jahren kampflos besetzt. In dieser Zeit konnten sie sich dort unter Beratung westlicher Spezialisten für Fortifikation ernsthaft befestigen. Kornilow sagte:

"Zahlreiche Stellungen wurden einbetoniert, und danach mit Panzern oder Artillerie besetzt."

Ugledar verfügt über eine wichtige Bedeutung wegen seiner Lage auf einer beherrschenden Höhe. Am Ugledarer Frontabschnitt konzentrierte der Gegner große Kräfte in der Hoffnung, die Landbrücke in die Krim zu durchbrechen. Die Befreiung Ugledars wird erschwert, da es sich hier um eine Bergbaustadt mit vielen verlassenen Minen, Industriezonen und Fabriken handelt.

Durch die Stadt verlaufen mehrere Energieleitungen und Transportwege. Kornilow erklärte:

"Dieser befestigte Raum muss so wie Slawjansk, Kramatorsk und Awdejewka befreit werden."

Der Militärexperte Anatoli Mossijtschuk betonte, dass die Einnahme von Ugledar die gegnerische Verteidigung "erheblich schwächen" werde. Er erklärte weiter:

"In der Stadt gibt es Bunker. Sie müssen zuerst zerstört werden, um vorstoßen zu können."

Nach Meinung des Militäranalytikers Michail Onufrienko haben Ugledar und das weiter östlich gelegene Nowomichajlowka eine Schlüsselbedeutung. Er betonte:

"Dort liegt die letzte Trennlinie, die unsere Truppen von der Stadt Kurachowo, dem tiefen Hinterland des Gegners, trennt. Die Einnahme von Ugledar und Nowomichajlowka wird die Offensive auf Kurachowo ermöglichen, ein wichtiger Frontabschnitt südwestlich von Donezk."

Allerdings erhielten ukrainische Streitkräfte nach dem Abzug russischer Truppen aus Cherson die Möglichkeit, den Donezker Frontabschnitt zu verstärken, warnte Onufrienko.

Wladislaw Berditschewski ist überzeugt, dass wenn Ugledar von russischen Truppen nicht eingenommen wird, Russland Pawlowka, wie zuvor geschehen, wieder verlieren wird. Er erklärte:

"Der Sturm auf die Stadt muss gleichzeitig mit der Unterbrechung der Straße bei Nowomichajlowka und Konstantinowka – zwei Dörfer zwischen Ugledar und Marjinka, der südwestlichen Trabantenstadt von Donezk – geschehen. Dann kann der Gegner keine Verstärkungen schicken. Das ist die erste Verteidigungslinie der ukrainischen Streitkräfte im Donbass. Nachdem wir sie zerstören, können wir auf Slawjansk, Kramatorsk und Druschkowka, in Richtung des Gebiets Charkow vorstoßen."

Berditschewski zufolge finden bei Marjinka bereits aktive Kämpfe statt. Er sagte:

"Wir hoffen, dass die Stadt vom ukrainischen Militär bald befreit wird."

Onufrienko erwähnte einige weitere Gebiete im Donbass, in denen russische Truppen aktiv sind. So kämpfe die Wagner-Gruppe im Dorf Belogorowka, das in der DVR auf der Straße von Lissitschansk nach Soledar liegt. Der südliche Teil der Siedlung befände sich bereits unter russischer Kontrolle, der nördliche werde noch umkämpft. Ferner seien russische Truppen zum gleichnamigen Dorf Belogorowka im Sewerodonezker Kreis der LVR vorgedrungen.

Dabei sei es zu früh, von einer Befreiung der Ortschaft zu sprechen, so Onufrienko. Außerdem kämpfe die Wagner-Gruppe um das Dorf Opytnoje, dessen Einnahme einen Vorstoß auf Artjomowsk (Bachmut) ermöglichen werde. Onufrienko erklärte:

"Die russischen Streitkräfte haben das Dorf Bachmutskoje bereits besetzt. Das heißt, dass bei einer Befreiung von Opytnoje Artjomowsk von drei Seiten von unseren Kräften umstellt sein wird."

Weiter nördlich, am Frontabschnitt bei Krasny Liman, bleibe die Lage unverändert. Der Gegner greife weiter an, allerdings mit immer weniger Kräften. Dies sei auch an Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums erkennbar. "Insgesamt ist die Lage in der Region für uns eher günstig", schlussfolgerte Onufrienko.

Übersetzt aus dem Russischen.

Mehr zum Thema - Podoljakas Wochenrückblick 07.-13.11.2022 – Abzug aus Cherson, Erfolge bei Ugledar und Artjomowsk

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