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Der Papst besucht Ungarn – Welche Interessen teilen Orbán und Franziskus?

Bei seinem Besuch in Ungarn nimmt Papst Franziskus ganz unterschiedliche Termine wahr. In der Flüchtlingspolitik und in der LBGT-Frage sind Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Papst Franziskus sich nicht einig. Aber im Vorfeld des Papstbesuches wurden auch gemeinsame Interessen erklärt. Könnte es zu einem gemeinsamen Friedensappell kommen?
Der Papst besucht Ungarn – Welche Interessen teilen Orbán und Franziskus?Quelle: www.globallookpress.com © Vatican Media/Keystone Press Agency

Am Freitagmorgen reiste Papst Franziskus zu einem dreitägigen Besuch nach Ungarn. Es ist die 41. Auslandsreise des 86-jährigen Oberhaupts der katholischen Kirche. Vatican News zufolge wird er ein umfangreiches Programm absolvieren.

Nach Treffen mit Staatspräsidentin Katalin Novák und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán wird er am Freitag auch Termine mit Regierungsvertretern, dem Diplomatischen Korps sowie ungarischen Bischöfen und Priestern wahrnehmen. Am Samstag wird er tagsüber unter anderem mit "Armen und Geflüchteten" zusammentreffen, bevor er schließlich abends noch einen privaten Termin wahrnimmt: ein "privates Treffen" mit Mitgliedern des Jesuitenordens.

Am Sonntag wird er die Heilige Messe zelebrieren und mit einem Besuch der Fakultät für Informatik und Bionik der Katholischen Péter-Pázmány-Universität sein Programm abrunden. Nach einer Meldung von Vatican News vom Freitag wird er von rund 75 Journalisten, Fotografen, Produzenten, Kameraleuten und Technikern begleitet. Novák hat laut MDR dazu an die Adresse des Papstes getwittert:

"Wir Ungarn erwarten Sie mit sehr viel Liebe und Gebeten. Ich hoffe, wir können in Ungarn gemeinsam für Frieden, die Familie und die Erneuerung des Glaubens, für Hoffnung und Liebe beten."

Für den Gottesdienst am Sonntag auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament würden Zehntausende Gläubige erwartet. Es sei überraschend, so der MDR-Bericht am Freitag, dass sich auch der Fidesz-Parteigründer Zsolt Bayer auf den Besuch freue. Der persönliche Freund Orbáns habe den Papst in der Vergangenheit einen "dementen Greis oder Dreckskerl" genannt, der "verrückt geworden" sei. Jetzt, anlässlich des Papstbesuches, habe er die Menschen aufgerufen, zahlreich am zentralen Gottesdienst teilzunehmen.

Zwischen dem protestantischen ungarischen Regierungschef und dem Papst gebe es diverse Meinungsverschiedenheiten, erläuterte der MDR die diplomatische Herausforderung. Das betreffe nicht nur den Umgang mit Flüchtlingen. Noch vor wenigen Wochen habe Franziskus Hunderte Geflüchtete im Vatikan empfangen und dabei vor allem auch jenen gedankt, die ihnen bei der Flucht geholfen hatten. Und obwohl die konservativen katholischen Bischöfe in Ungarn Orbáns restriktive Flüchtlingspolitik unterstützten, wird sich Franziskus auch in Budapest explizit mit geflüchteten Menschen treffen.

Die ungarischen Bischöfe unterstützten zudem Orbáns international kritisierte LGBTQ-feindliche Haltung. Auch die Vorstellung der ungarischen Regierung von einem "christlichen Abendland" sei meilenweit entfernt, von der des Vatikans. Trotzdem werde in Budapest derzeit mittels einer Plakat- und Social-Media-Kampagne der christlichen Medienplattform Szemlélek mit Zitaten von Papst Franziskus für ein LGBTQ-freundlichen Katholizismus geworben:

"Die Bischöfe sollten sich mit demselben Sanftmut den Homosexuellen zuwenden, mit dem Gott sein Volk behandelt", so ein Papst-Zitat auf Szemlélek.

Schon aus diesen Gründen werden die innerkirchlichen Gespräche während des Papstbesuches dem MDR zufolge mit Spannung erwartet.

Im Vorfeld des Papstbesuchs habe Novák das katholische Kirchenoberhaupt gelobt, berichtete Vatican News am Donnerstag. Franziskus sei ein Mann des Friedens, habe sie im Interview mit dem katholischen Portal Magyar Kurír erklärt. Den Menschen sei durch die COVID-19-Pandemie und "den russischen Angriffskrieg" die Hoffnung auf ein friedliches Leben genommen worden. Sie sei voller Vertrauen, dass Franziskus "durch seine Friedensbotschaft zu uns zurückbringen wird". Ihr zufolge hat der Papst in seiner Osterbotschaft seine Rolle als Friedensvermittler deutlich gemacht:

"Er verurteilt die russische Aggression, er steht zu den angegriffenen Ukrainern, er ist bereit, eine vermittelnde Rolle zu übernehmen", so die calvinistische Präsidentin. Gleichzeitig vergesse er aber auch das russische Volk nicht.

Im selben Interview habe Novák allerdings auch gesagt, Russland dürfe seine Ziele im Krieg mit der Ukraine nicht erreichen und am Ende nicht in ukrainischen Gebieten verbleiben. Ein Bericht des Domradio vermittelte am Montag eine andere Perspektive: Demnach habe Ungarns Vatikanbotschafter Eduard Habsburg erst kürzlich die Gemeinsamkeiten zwischen Orbán und dem Papst erläutert.

"Orbán und der Papst seien die Einzigen, die bei diesem Thema an erster Stelle nicht vom Krieg, sondern von Frieden sprächen", gab das Domradio Habsburg wieder.

Aus unterschiedlichen Motiven verfolgten sowohl Franziskus als auch Orbán eine andere Politik gegenüber Russland und der Ukraine als die meisten Regierenden in Europa. Orbán sehe sich als Anwalt der großen ungarischen Minderheit in der Ukraine und halte sich mit Kritik und Sanktionen gegen Moskau zurück. Zudem sei Ungarn bei seiner Energieversorgung von Russland abhängig.

Die Interessen der vatikanischen und der ungarischen Außenpolitik könnten noch in einem andern Punkt übereinstimmen. Schließlich habe Orbán sich auch als Einziger in der EU nicht an Sanktionen gegen Russlands Patriarchen Kyrill I. beteiligt. Deshalb sei es durchaus möglich, hieß es im Bericht des Domradio,

"dass Orbán und Franziskus von Ungarn aus einen gemeinsamen Friedensappell in Richtung Kiew und Moskau lancieren werden. Das wäre ein Novum für den Papst, der solche Aufrufe sonst nur gemeinsam mit anderen religiösen Führern verfasst hat."

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