Wirtschaft

Moskau widerspricht Behauptungen, EU-Sanktionen hätten keine Auswirkungen auf Ernährungssicherheit

Die Äußerungen von Politikern aus der EU, dass die Sanktionen gegen Russland keine Bedrohung für die weltweite Nahrungsmittelsicherheit darstellen, werden bedeutungslos vor dem Hintergrund zusätzlicher Hindernisse für Waren aus Russland und Weißrussland, die offiziell gar keinen Beschränkungen unterliegen, sagte als Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa.
Moskau widerspricht Behauptungen, EU-Sanktionen hätten keine Auswirkungen auf ErnährungssicherheitQuelle: Gettyimages.ru © Edwin Remsberg

von Alexander Karpow und Aljona Medwedewa

Die Behauptung aus Brüssel, die eigenen Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland würden nicht die weltweite Nahrungsmittelsicherheit gefährden, entbehrt jeder Grundlage, betonte Maria Sacharowa als Sprecherin des russischen Außenministeriums. Ihren Worten nach werde dies insbesondere durch Empfehlungen der EU-Kommission belegt, die den Zugang zum EU-Binnenmarkt auch für Waren aus Russland und Weißrussland zu erschweren suchen, die nicht unter die EU-Sanktionen fallen.

Experten bemerken, dass die EU-Behörden die Verantwortung für ihr eigenes schlecht durchdachtes Handeln, das das Leben auch der EU-Bürger verschlechtert, auf Russland abwälzen wollen. Die russische Diplomatin kommentierte die Empfehlungen der Europäischen Kommission, die den nationalen Akkreditierungsstellen der EU nahelegen, keine Konformitätsbewertungen mehr für Waren aus Russland und Weißrussland vorzunehmen, auch dann, wenn sie den den Handelsbeschränkungen nicht unterfallen. 

"Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass entsprechende Rundschreiben der Europäischen Kommission an die EU-Hauptstädte auch zu anderen Themen verschickt werden. In diesem Zusammenhang sind die lautstarken Erklärungen Brüssels, wonach die verhängten Sanktionen keine formellen Auswirkungen auf den Export von Düngemittel hätten und daher die weltweite Nahrungsmittelsicherheit nicht gefährden würden, keinen Pfifferling wert",

wird in einer von Sacharowa veröffentlichten Erklärung auf der Webseite des Außenministeriums ausgeführt. Laut der Diplomatin arbeiten die EU-Behörden hinter den Kulissen daran, den EU-Mitgliedsstaaten möglichst extensive Auslegung und Anwendung der verhängten Beschränkungen der Zusammenarbeit mit Russland aufzuzwingen:

"Es werden weder die Folgen für die Wirtschaft der Europäischen Union noch der Drittländer berücksichtigt, einschließlich der Folgen für die ärmsten Länder, die den größten Schaden durch die Nahrungsmittelkrise erleiden könnten und über deren Interessen die EU so viele Lippenbekenntnisse abgibt. Und nach all dem schämt sich die EU nicht, heuchlerisch zu behaupten, sie habe nichts mit den Schwierigkeiten zu tun, die unsere Exporteure haben, russisches Getreide und Düngemittel in die Entwicklungsländer zu liefern. Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, der internationalen Gemeinschaft etwas vorzumachen".

"Ihr selbst habt eine Menge Fehler gemacht"

Umfangreiche wirtschaftliche Sanktionen der EU-Kommission gegen Russland werden von den Ländern der EU seit dem Beginn der Spezialoperation in der Ukraine umgesetzt. Dennoch streiten Funktionäre und Spitzenbeamte der EU ab, dass diese restriktiven Maßnahmen eine direkte Auswirkung auf die Nahrungsmittelkrise in der EU selbst und in anderen Teilen der Welt haben. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bezeichnete solche Behauptungen gar als "russische Desinformation".

In einem Auftritt nach dem EU-Gipfel in Brüssel sagte von der Leyen vor Journalisten am 31. Mai, der einzige Grund für die Nahrungsmittelkrise sei der bewaffnete Konflikt in der Ukraine.

Allerdings hat Russland wiederholt darauf hingewiesen, dass diese These lediglich ein Versuch der Führungen der USA und der EU ist, die Verantwortung für ihre eigenen kurzsichtigen politischen Entscheidungen abzustreiten. So erinnerte Präsident Wladimir Putin Anfang Juni daran, dass sich die ungünstige Lage auf dem globalen Lebensmittelmarkt schon lange vor der russischen Spezialoperation in der Ukraine abzeichnete.

"Sie begann sich bereits im Februar 2020 abzuzeichnen, im Prozess der Bewältigung von Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, als die Weltwirtschaft zusammenbrach und es notwendig war, die Weltwirtschaft wieder auf die Beine zu stellen",

sagte Putin in einem Interview mit Pawel Sarubin, einem Journalisten des Fernsehsenders Rossija 1. Der russische Staatschef machte außerdem darauf aufmerksam, dass die westlichen Länder nach Beginn der militärischen Spezialoperation (in der Ukraine) Maßnahmen ergriffen haben, welche die Lage auf dem Weltmarkt für landwirtschaftliche Düngemittel verschlechtern:

"Die Ernteerträge hängen von der Menge der Düngemittel ab. Als es bekannt wurde, dass unsere Düngemittel auf dem Weltmarkt fehlen werden, sind die Preise für Düngemittel und für Nahrungsmittel sofort gestiegen, denn ohne Düngemittel werden auch keine landwirtschaftlichen Produkte in der erforderlichen Menge produziert. Unsere Partner haben viele Fehler gemacht, und jetzt suchen sie nach einem Sündenbock, und natürlich ist Russland in diesem Sinne der geeignetste Kandidat".

Der Präsident wies auch die Vorwürfe des Westens zurück, Russland verhindere angeblich den Export von Getreide aus der Ukraine, um den sich die EU, die USA und das Vereinigte Königreich aktiv bemühen würden. Putin bezeichnete solche Äußerungen als Bluff und betonte, das einzige Hindernis für den Getreideexport über ukrainische Häfen sei die Verminung dieser Häfen durch die ukrainische Seite.

Das russische Staatsoberhaupt erinnerte auch daran, dass Moskau seinen westlichen Kollegen Garantien für die ungehinderte Durchfahrt von Getreideschiffen in internationale Gewässer zugesichert hatte und die Situation nicht für einen Angriff vom Meer aus nutzen werde, sollte das Kiewer Regime die von ihm kontrollierten Häfen entminen. Zudem sei Moskau dazu bereit, für die Ausfuhr von Getreide über die Häfen am Asowschen Meer zu sorgen, die von den russischen Streitkräften kontrolliert werden, fügte der Präsident hinzu. Außerdem kann Getreide auch über Rumänien, Ungarn, Polen oder Weißrussland exportiert werden.

"Daher gibt es kein Problem mit der Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine",

fasste Putin zusammen. Doch der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij weigerte sich später, Getreide über Weißrussland zu exportieren, von wo aus es weiter an baltische Häfen geliefert werden könnte.

"Uns wurde angeboten, [Getreideexporte] mit der Eisenbahn über Weißrussland zu fahren. Wir verstehen sogar, was für eine Bedeutung das hat. Doch wir verstehen auch, warum man uns das vorgeschlagen hat. Wir sind noch nicht bereit, diesem Vorschlag zu folgen und unseren 'befreundeten' Nachbarn zu helfen",

zitiert der Sender RBC-Ukraine die Worte von Selenskij.

"Eine besondere Form des Verhaltens"

Nach Ansicht von Nikolai Meshewitsch, dem Vorsitzenden der Russischen Vereinigung für Baltische Studien, ist das Handeln der europäischen Behörden politisch motiviert, und dies habe schwerwiegende Folgen für den Nahrungsmittelmarkt der EU.

"Es scheint ein abartiger Suizidversuch zu sein. Einerseits wird Russland für die steigenden Nahrungsmittelpreise verantwortlich gemacht, und andererseits werden Hindernisse für seine Waren aufgebaut, so dass Russland nicht zur Senkung der Preise beitragen kann. Dies ähnelt der Kampagne in den Vereinigten Staaten, wo Wladimir Putin höchstpersönlich für die steigenden Benzinpreise verantwortlich gemacht wird. So etwas war nicht einmal während des Kalten Krieges der Fall",

unterstrich der Experte in einem Gespräch mit RT. Alexei Muchin, Generaldirektor des Zentrums für politische Information, erklärte seinerseits gegenüber RT, dass die EU-Bürokratie nicht in der Lage sei, einen solch umfassenden Prozess wie die Verhängung von restriktiven Maßnahmen gegen die Ausfuhr von Nahrungsmitteln und anderen Waren aus Russland adäquat zu steuern.

"Die sanktionierenden Länder haben selbst keine Übersicht mehr darüber, was sich auf die Preissituation auswirkt und was nicht. Mit diesen verbalen Tricks – wie den Ausnahmen von Lebensmitteln und Düngemitteln auf der Sanktionsliste bei gleichzeitiger Einführung zusätzlicher Empfehlungen – versucht die Europäische Kommission lediglich, die Öffentlichkeit über die schwierige Lage zu belügen, in der sich die Wirtschaft durch ihr eigenes kurzsichtiges Handeln befindet. Heute sagen sie das eine, morgen werden sie etwas anderes sagen. Das ist ein Versuch, sich der Verantwortung für die dummen Entscheidungen zu entziehen, die man getroffen hat und weiterhin trifft",

sagte der Experte. Die Behauptungen, dass die eigenen Sanktionen gegen Russland angeblich gar keine Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise haben, zielen darauf ab, sich von der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung der EU-Mitgliedsstaaten freizusprechen, meint Muchin.

"Es ist eine besondere Form des Verhaltens, wenn die Menschen zu lügen beginnen und nicht mehr damit aufhören können. Sie neigen grundsätzlich dazu, in den Teufelskreis der Problemfokussierung zu geraten. Jetzt versuchen EU-Funktionäre, all ihre Fehlkalkulationen und Fehler auf den intakten russischen Verstand abzuwälzen und glauben, damit durchzukommen",

sagte der RT-Gesprächspartner. Dabei besitzen die Sanktionen gegen Russland – trotz formaler Ausnahmeregelungen – eine große Bandbreite und führten zu einer abrupten Unterbrechung der Lieferketten und somit zwangsläufig zu Preissteigerungen, so Muchin.

"Solch eine Situation wird zu ernsthaften logistischen Unausgewogenheiten führen und zu einer Unterbrechung der Logistik mit entsprechenden Folgen für viele Wirtschaftssektoren, von Energieträgern bis zu Nahrungsmitteln. Ich denke, dass diejenigen, die Sanktionen gegen Russland verhängt und andere Länder dazu gezwungen haben, eine solche Wirkung einfach nicht einkalkuliert haben, wofür sie nun mit einer tiefgreifenden und umfassenden Krise bezahlen werden", so der Experte abschließend.

Übersetzt aus dem Russischen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.