"Flatterenergie": Europas Stromnetze um Haaresbreite zusammengebrochen
Österreich, 15. Januar, 14.05 Uhr: Ein massiver Abfall in der Frequenz bescherte den Österreichern einen Beinahe-Zusammenbruch ihres Netzes. Gerhard Christiner, Vorstand der Austrian Power Grid AG, nannte als Ursache für die Störung einen Stromausfall in Rumänien.
Wie ein Dominoeffekt hätte sich die Katastrophe bei einem weiteren Spannungsabfall auch auf die Nachbarländer auswirken können. Durch den wachsenden Mehrbedarf an Energie und den durch die Energiewende zunehmenden Wegfall deutscher Kern- und Kohlekraftwerke werde Europas Energienetz zunehmend fragiler. Derzeit sind in Deutschland 13 Kernkraftwerke nicht mehr am Netz. Um die Krise in Deutschland einzudämmen, musste am Donnerstag schnell Kohle- und Gasstrom zu sehr hohen Preisen importiert werden. Deutschland konnte keine Hilfe leisten. Süddeutschland, Bayern und Österreich konnten streckenweise nur durch das stabile Netz Tschechiens gehalten werden. Das oft gescholtene Kernkraftwerk in Temelín sowie das in Dukovany liefen unter Volllast.
Frankreich, 7. Januar: Der überregionale Stromanbieter RTE musste wesentliche Teile der stromintensiven Industrie vom Netz nehmen. Für das gesamte Netz Frankreichs wurde Alarmstufe Rot verfügt. Schuld war die polare Kältewelle in Frankreich, die früher eintrat, als es die Meteorologen erwartet hatten. So wurde die französische Bevölkerung aufgerufen, elektrische Geräte und Heizungen abzuschalten. Flächendeckend wurde sogar die Netzspannung um fünf Prozent reduziert, was es in Frankreich seit 60 Jahren nicht mehr gegeben hatte. Trotz Warnungen hatte die Macron-Regierung die zwei voll funktionsfähigen Blöcke Fessenheim abgeschaltet. So fehlen derzeit allein dort fast zwei Gigawatt an Leistung, die anderweitig ausgeglichen werden müssen.
Die Deutsche Energie-Agentur (dena), zuständig für 81.000 Kilometer Hochspannungsnetze, erfasst die Störungen nicht. Sprecherin Irene Beringer sagte RT DE: "Diese Daten werden nicht erfasst."
Markus Lieberknecht, Sprecher des Netzwerkbetreibers Tennet, zuständig für 23.500 Kilometer Hochspannungsleitungen, bestätigte RT DE die Vorfälle, wollte aber nichts Näheres zu den möglichen Auswirkungen sagen.
Für Michael Limburg (81), den Vizepräsidenten des Europäischen Instituts für Klima und Energie aus Potsdam, ist das gut begreiflich. Der Regeltechniker und Diplomingenieur erklärte RT DE:
"Vor 15 Jahren hatten wir drei bis fünf Ausfälle, sogenannte Redispatch-Maßnahmen im Jahr, heute sind es 5.000 bis 8.000. Solche Schwankungen haben sehr wohl zugenommen."
Limburg verweist auf die Internetseite www.netztransparenz.de, auf der die Schwankungen jederzeit von jedem abgerufen werden können. Ausfälle unter drei Minuten werden allerdings nicht erfasst. Limburg: "Die nehmen aber auch deutlich zu, wie ich aus der Wirtschaft erfahren habe."
Die sogenannten Redispatch-Maßnahmen, also Wiederstarts nach Kurzausfällen oder Schwankungen im Netz, nahmen in Deutschland nach Angaben des internetbasierten Dienstes netztransparenz.de zumindest bei zwei der vier Betreiber zu: bei Amprion und TransnetBW. Am 12. und 19. Januar mussten sogar Block 5 und 6 des Reservekraftwerks Heilbronn zugeschaltet werden, nachdem auch an der Börse kein Strom mehr zu beschaffen war. Mit rund 4,4 Mio. Tonnen im Jahr oder 950 g pro Kilowattstunde gehört das Kraftwerk Heilbronn zu den 30 Kohlekraftwerken mit dem höchsten CO2-Ausstoß in Deutschland.
Polen forderte die Bundesrepublik zwischenzeitlich dringend auf, die Kernkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Andernfalls sei die Stabilität der Stromversorgung in Europa massiv gefährdet. Schon am 4.11.2006 mussten mehr als zehn Millionen Haushalte in Westeuropa vom Stromnetz getrennt werden. Damals liefen aber alle deutschen Kohle- und Atomkraftwerke noch.
Eine dena-Studie von 2020 nennt das Problem: "Durch die Energiewende entstehen Herausforderungen für die Systemsicherheit, die es nicht mehr erlauben, Systemdienstleistungen und Fragen der Stabilität getrennt voneinander zu betrachten." Die dena weiter: "So wird die Momentanreserve zur Frequenzhaltung im Normalbetrieb ebenso wie im Störfall gebraucht. Auch die Teilnetzbetriebsfähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für den Netzwiederaufbau und für die Frequenzstabilität." Die dena nennt das Hauptproblem beim Namen: "Für die Untersuchung der zukünftigen Anforderungen an die Systemsicherheit wichtig sind wesentliche Weichenstellungen wie der Kohleausstieg, 65 Prozent Erneuerbare Energien (EE) bis 2030."
Durch Veränderungen im Zuge der Energiewende gingen vorhandene Reserven und Sicherheiten zurück oder müssten alternativ gewährleistet werden. Dies mache es notwendig, Anforderungen an das Stromsystem und Störfälle neu zu betrachten und gegebenenfalls zu erweitern.
Wie die dena-Studie "Systemsicherheit 2050" besagt, betragen "ohne zusätzliche Maßnahmen daraus resultierende Frequenzgradienten über 20 Hertz/Sekunde und führten aktuell und absehbar zum Blackout".
Dennoch setzt die Bundesregierung zur Reduktion von CO2 auf die Förderung von E-Fahrzeugen. Wie diese bei dem ohnehin schon überlasteten Netz auch noch aufgeladen werden sollen, sagt sie nicht. Energieexperte Limburg sagte RT DE: "Noch am 15. Januar gab es im Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf, in dem auch extreme Stromentnahmen zum Beispiel mit einer stark zunehmenden Anzahl von Elektrofahrzeugen als Problem genannt werden." Limburg weiter: "In diesem Entwurf stand klar – auf die Frage, ob es Alternativen dazu gebe – die Antwort: Keine. Der Entwurf verschwand spurlos."
Erst im November 2020 warnte der Internet-Experte Klaus Schwab in seinem Buch "The Great Reset" (Der große Neustart): "Wir alle wissen, dass das erschreckende Szenario eines umfassenden Cyberangriffs die Stromversorgung, den Transport, die Krankenhausleistungen und unsere Gesellschaft insgesamt vollständig zum Erliegen bringen könnte." Die Auswirkungen auf Deutschland im verschärften Lockdown wären unabsehbar.
Das Hauptproblem, das immer wieder die Netzfrequenz belastet, liegt in den erneuerbaren Energien, die durch die politisch gewollte Energie einen steigenden Anteil am Netz einnehmen. Durch die Energiewende wurden in Deutschland mehr und mehr Kohlekraftwerke und Atommeiler abgeschaltet.
Der österreichische Blackout-Experte Herbert Saurugg warnt, dass die erneuerbaren Energien aufgrund ihrer Abhängigkeit von Umwelteinflüssen wie Sonne und Wind nicht kontinuierlich Energie produzieren. Speichersysteme fehlten häufig, die einen Ausgleich an schwächeren Tage liefern würden. Saurugg rät deswegen zu einer Überbrückung durch die rasche Errichtung von Gaskraftwerken.
Energieexperte Limburg ergänzt: "Bricht die konventionelle Stromversorgung weg, haben wir ein Riesenproblem. Schalten wir die Flatterenergie, die Windenergie runter, halbieren sich die Strompreise."
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