Europa

Estlands Premierministerin fordert totales und EU-weites Einreiseverbot für Russen

Mit der Begründung, Reisen nach Europa seien "ein Privileg und kein Menschenrecht", forderte die estnische Premierministerin die Mitglieder der Schengen-Zone auf, russischen Staatsbürgern keine Visa mehr auszustellen. Der Kreml reagierte empört.
Estlands Premierministerin fordert totales und EU-weites Einreiseverbot für RussenQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Paulius Peleckis

Die estnische Premierministerin Kaja Kallas hat die Schengen-Staaten aufgefordert, die Ausstellung von Visa für russische Staatsbürger auszusetzen. "Stoppt die Ausstellung von Visa an Russen. Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht", schrieb Kallas am Dienstag auf Twitter. Ihr war offenbar nicht bewusst, dass bereits rund 75 Prozent der russischen Bevölkerung auf dem europäischen Kontinent leben. Die EU habe zwar den Flugverkehr aus Russland nach Beginn der Militäroperation Moskaus in der Ukraine Ende Februar eingestellt, aber Länder des Schengen-Raums würden weiterhin Visa an Russen ausstellen, schrieb sie. "Es ist an der Zeit, den Tourismus aus Russland jetzt zu beenden."

Estland, Lettland und Finnland, die alle drei an Russland grenzen und somit die "einzigen Eintrittspunkte in die EU" seien, werden daher gezwungen, "die Belastung" durch russische Bürger zu tragen, erklärte Kallas – wobei sie offenbar Polen und Litauen ignorierte.

Das Schengen-Abkommen ermöglicht das Reisen in und durch 26 europäische Länder. Dazu gehören die meisten EU-Mitgliedsstaaten, mit Ausnahme von Bulgarien, Kroatien, Zypern, Rumänien und Irland. Die Nicht-EU-Staaten im Abkommen sind Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.

Der Tweet der estnischen Premierministerin folgte auf eine Forderung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, allen Russen für mindestens ein Jahr eine Einreise in den Westen zu verbieten.

"Die wichtigste Sanktion besteht darin, die Grenzen abzuschotten – weil Russland einem Nachbarland Gebiete entreißt." Russen sollten "so lange in ihrer eigenen Welt leben, bis sie ihre Philosophie ändern", sagte er der Washington Post am Montag.

Vergangene Woche sagte zudem der estnische Außenminister Urmas Reinsalu gegenüber Bloomberg, dass der baltische Staat in der nächsten Runde der Sanktionen der EU gegen Moskau ein EU-weites Einreiseverbot für russische Bürger sehen wolle. Reinsalu machte seine Bemerkungen, während er in Kiew war, und betonte, diese Idee sei mit Selenskij besprochen worden.

Estland war von Anbeginn des Konflikts mit Russland ein starker Unterstützer der Ukraine und plädierte bei den Sanktionen für ein noch härteres Durchgreifen der EU gegen Moskau. Tallinn setzte kurz nach Ausbruch der Kämpfe die Ausstellung der meisten Arten von Visa für Russen aus. Estland kann jedoch russische Staatsbürger nicht an der Einreise hindern, wenn sie ein von einem anderen EU-Mitgliedsstaat ausgestelltes Visum haben.

Während eine Reihe anderer EU-Staaten – Litauen, Lettland, Polen und die Tschechische Republik – ebenfalls Beschränkungen eingeführt haben, würde ein EU-weites Verbot die Zustimmung aller 27 Mitglieder der Union erfordern. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Dienstag, dass die EU-Staaten in ihrem nationalen Recht großen Spielraum hätten, die Vergabe von Langzeitvisa einzuschränken oder auszusetzen.

Die ukrainische Forderung nach einem internationalen Reisebann für alle Russen hat in Moskau heftige Kritik ausgelöst. "Die Irrationalität des Gedankens übersteigt jedes Maß", kritisierte der Sprecher des Kremls Dmitri Peskow. "Die EU wird sich früher oder später fragen müssen, ob Selenskij alles richtig macht und ob ihre Bürger nicht für dessen Launen zahlen." Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident und heute stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, ging sogar so weit, Selenskij als "größten ukrainischen Clown" zu bezeichnen, und warf der estnischen Ministerpräsidentin Kallas "Nazi-Äußerungen" vor.

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