Europa

Schüsse auf Menschen, die nach Brot anstanden – Augenzeugin berichtet von Asow-Massaker

Die Berichte über Gräueltaten des ukrainischen Asow-Bataillons reißen nicht ab. Aus Mariupol, das im Frühjahr wochenlang schwer umkämpft war, kommen entsetzliche Berichte über die Untaten der faschistischen Einheiten. Regelmäßig erwähnen die Donbass-Bewohner willkürliche Strafaktionen und Erschießungen von Zivilisten.
Schüsse auf Menschen, die nach Brot anstanden – Augenzeugin berichtet von Asow-MassakerQuelle: Sputnik © Sergey Averin/Sputnik

Wo unter russischer Hoheit in der Ost- und Südukraine die Kämpfe abflauen oder sogar der Wiederaufbau – als Zeichen neuer stabiler Verhältnisse – begonnen hat, wagen es immer mehr Menschen, von ihren Kriegserlebnissen seit dem Frühjahr 2022 zu sprechen. Immer wieder berichten sie von Gräueltaten ukrainischer Einheiten, besonders des faschistischen Asow-Bataillons.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Telegram-Kanal Readovka ein Interview mit einer Einwohnerin aus Mariupol. Die Frau, die als Anna vorgestellt wird, ist etwa 40 Jahr alt und lebt mit ihrem Mann und einem kleinen Kind im Primorski-Bezirk der Stadt am Asowschen Meer. In dem etwa neunminütigen Interview berichtet sie von einem Massaker, das von Angehörigen einer Asow-Einheit Anfang März 2022 in Mariupol verübt wurde.

Mariupol, Anfang März 2022

Das Interview wird in jenem Stadtteil geführt, in dem die Gräueltaten stattgefunden haben sollen. Zunächst schildert die Frau die Lage vor den tragischen Ereignissen:

"Das hier ist das berühmt-berüchtigte Haus Nr. 12, Krasnomajakskaja-Straße 12. […] Das war der letzte Unterschlupf des Asow-Bataillons. Anfang März, etwa um den 3. oder 6. März 2022 herum, […] kamen sie hierher, jeweils in Gruppen zu sechst oder zu acht, und fragten, wer dort wohnt, wollten wissen, wo es leere Häuser und Wohnungen gibt."

Schließlich hätten die Asow-Leute alle Bewohner des Hauses in den Keller getrieben. Anschließend seien die Kämpfer in alle Wohnungen eingedrungen und hätten alle möglichen Wertgegenstände wie Fernsehgeräte aus den Wohnungen herausgetragen und nach Gold gesucht. Auf der Straße habe ein großer ziviler Lastwagen gestanden, in den alle geraubten Gegenstände verladen wurden.

Als die russische Militäroperation am 24. Februar begann, hat die Augenzeugin die Krasnomajakskaja-Straße verlassen und ist in ein anderes, nahe gelegenes Viertel im Primorski-Bezirk umgezogen. Etwa anderthalb Kilometer entfernt besitzt ihr Vater ein Haus. Dort wurde die junge Familie von ihrem Vater aufgenommen.

Unbekannter Helfer

Ebenfalls um den 3. März kam zufällig ein Auto in die Straße gefahren. Es soll ein kleiner blauer Mini-Van gewesen sein. Wie sich herausstellte, war der Fahrer ein freiwilliger Helfer aus Saporoschje. An diesem Tag hatte er Brot mitgebracht und fragte die Bewohner des Viertels, was sie sonst noch benötigen würden. Die Anwohner nahmen das Hilfsangebot dankbar an. Der Helfer habe auch angeboten, dringend Benötigtes – wie beispielsweise Medikamente – beim nächsten Mal aus Saporoschje mitzubringen, die Anwohner sollten ihm eine Liste mitgeben.

Tatsächlich sei der Fremde am 9. März wieder erschienen, und auch die Augenzeugin Anna hatte sich wieder zusammen mit den anderen Einwohnern des Viertels eingefunden. "Wie durch ein Wunder", wie sie formuliert, habe sie ihr Kind bei ihrem Vater gelassen. Nur ihr Mann hatte sie zur Ausgabe der Hilfsgüter begleitet.

Vor dem Kleinbus bildete sich eine Schlange, und die Ausgabe von Brot begann. Anna stand hinter dem Bus, als zu ihr eine Frau mit einem Baby herantrat, das damals etwa acht Monate alt war. Viele andere Mütter waren anwesend. Alle hätten in einer Schlange gestanden. Es gab keinerlei Konflikt, es sei so weit alles absolut ruhig gewesen.

Provokation

Plötzlich seien sechs Asow-Leute erschienen – erkennbar für die Augenzeugin daran, dass sie an ihren Unformen Abzeichen und Sterne getragen hätten, außerdem schwarze Sturmhauben. Die Asow-Männer gingen auf den Helfer aus Saporoschje zu und trieben die wartende Menge auseinander. Dabei hätten sie äußerst grobe Ausdrücke benutzt, auch sogenannte russische Mutterflüche (Vulgärsprache). Die Hilfesuchenden seien von den Asow-Leuten auch bedroht worden.

Zu einem Konflikt sei es gekommen, als die Asow-Soldaten von Saporoger Freiwilligen verlangt hätten, ihnen Brot zu überlassen. Daraufhin hätten die Wartenden angefangen, sich zu beschweren. Auch der Saporoger Helfer habe widersprochen, denn schließlich habe er das Brot für die Bedürftigen mitgebracht. Diese seien jedoch vor Asow nicht zurückgewichen und hätten sozusagen ihre Position behauptet. Daraufhin hätten die Asow-Leute das Quartier verlassen.

Die Augenzeugin beschreibt dann, wie sie zusammen mit der Mutter des acht Monate alten Babys bei dem Wagen stand. Sie seien ins Gespräch gekommen. Dabei habe die Fremde erwähnt, dass ihr die Windeln ausgingen, sie habe nur noch eine Packung Pampers.

Dagegen verfügte die Augenzeugin noch über Windeln bei sich zu Haus, und ihr Mann bot spontan an, nach Hause zu fahren, um die Windeln zu holen, sodass die Mutter des Babys sie später mitnehmen könne. Er versprach, sich zu beeilen, und fuhr nach Hause.

Massaker

Den Schilderungen der Augenzeugin zufolge scheinen sich dann die Ereignisse an der Ausgabestelle überschlagen zu haben. Sie wartete mit der unbekannten Frau in der Nähe des Minibusses zwischen den geparkten Autos. Dann habe sie plötzlich nur noch den Schrei ihres Mannes und sein Kommando gehört:

"Murotschka, hinlegen!"

In diesem Moment sei die "Hölle" losgebrochen, so die Augenzeugin. Der Helfer aus Saporoschje sei in seinen Mini-Van gesprungen und habe losfahren wollen. Doch die Asow-Leute hätten sein Fahrzeug beschossen, das schwer beschädigt wurde, und die Autoscheiben seien zu Bruch gegangen.

Alle Wartenden seien zu Boden gegangen und hätten sich auf die Straße gelegt. Die Augenzeugin berichtet weiter, sie habe die unbekannte Frau mit Kind in einen nahen Container geschoben. Als sie dort angekommen war, bemerkte sie ein etwa acht Jahre altes Mädchen, das nach seiner Mutter rief.

Zusammen mit der anderen Frau sei sie dann zu dem achtjährigen Mädchen gegangen, als es in einer Art Feuerpause von etwa fünf Minuten etwas ruhiger war.

Die beiden Frauen "umarmten sich", wie die Augenzeugin formuliert, und nahmen die Kinder – das Baby und das fremde achtjährige Mädchen – buchstäblich zwischen sich. Tatsächlich schafften sie es zum Container zurück.

Weil die Augenzeugin eine helle Jacke trug, konnte ihr Mann, der inzwischen zurückgekehrt war, sie gut erkennen und sehen, dass sie zum Container gelaufen war, von wo er sie mitnahm. Die Augenzeugin sagt von sich, sie sei blutüberströmt gewesen und habe auch das Bewusstsein verloren.

Beide Kinder haben dank der mutigen Frauen die Schießerei überlebt.

Kein Zweifel an der Täterschaft der Asow-Einheiten

Die Augenzeugin führt sodann aus, weshalb sie der Meinung ist, mit Bestimmtheit sagen zu können, dass Asow-Kämpfer dieses Massaker an Zivilisten verübt haben.

"Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass Asow-Leute dies getan haben."

Als ihr Ehemann wieder zum Ort des Geschehens zurückkehrte, weil er die Windeln geholt hatte, die der unbekannten Mutter des kleinen Babys mitgegeben werden sollten, habe er sich einer Kontrolle durch Asow-Angehörige unterziehen müssen. Dabei hätten ihm die Asow-Leute zu verstehen gegeben, er solle nicht "da" hingehen – wo seine Frau mit der Bekannten auf die Ausgabe der Hilfsgüter wartete. Auf seine Frage, warum er nicht zu seiner Frau gehen solle, die dort warte, habe er keine Antwort erhalten.

Doch als er sich wenige Schritte von den Asow-Posten entfernt hatte, hätten die Asow-Leute das Feuer eröffnet. Ungefähr 20 Menschen seien dadurch umgekommen, auch zwei Kinder. Alle seien mit Splittern durchsiebt worden.

Bleibende Verletzungen

Die Augenzeugin habe etliche Schrapnell-Splitter abbekommen, in den Beinen, aber auch im Rücken, wodurch die Wirbelsäule verletzt worden sei. Zwar hätten ihr Vater und ihr Ehemann, so gut sie dies unter Kriegsbedingungen konnten, Splitter entfernt und Wunden versorgt. Auch habe es kostenlose Hilfe vom Militär der Volksrepublik Donezk gegeben.

Dennoch habe sie ständig Schmerzen. Im nahe gelegenen russischen Taganrog erbrachte eine Computertomografie (CT) der Wirbelsäule, dass sich noch weitere 22 Splitter in ihrem Rücken befänden. Eine Bandscheibe sei völlig zerstört. Durch die Schädigung der Wirbelsäule sei ein Nerv eingeklemmt.

Daher könne sie – eine Frau in den Vierzigern – nur mithilfe einer Gehhilfe laufen. Ein Moskauer Neurochirurg habe nach Auswertung des CT-Befundes die Einsetzung einer künstlichen Bandscheibe aus Titan vorgeschlagen, um den Druck auf den Nerv zu reduzieren. Auch die restlichen Splitter müssten entfernt werden. Mehr ließe sich allerdings nicht machen, und trotzdem würden die Schmerzen bis an das Lebensende bleiben.

Nach den Worten der Augenzeugin stellten jedoch nicht die körperlichen Verletzungen das eigentliche Trauma dar, sondern die seelischen – die sie zu vergessen suche.

Das Wichtigste sei jedoch, dass sie die Schießerei überlebt habe. Sie wünsche allen Menschen Frieden.

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