Deutschland

Der Weg zur Elektromobilität – ein Arbeitsplatz-Massaker in der deutschen Autoindustrie

Bei VW, Ford, Opel und bei Autozulieferern werden die Umstellungen auf Elektromobilität genutzt, um massiv Stellen abzubauen. Werksleitungen arbeiten mit Betriebsräten verschärfte Arbeitsbedingungen für die Restbelegschaften aus. Aktionäre setzen die Firmen unter Druck.
Der Weg zur Elektromobilität – ein Arbeitsplatz-Massaker in der deutschen AutoindustrieQuelle: Gettyimages.ru © Getty Images / Westend61

Von Felicitas Rabe

In der deutschen Autoindustrie formiere sich ein "gewaltiges Jobmassaker", wie es die Branche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt habe. Ausführlich analysiert Dietmar Gaisenkersting für die World Socialist Webseite (wsws) die kritische Situation bei VW, Ford, Opel und dem Zuliefererunternehmen ZK Friedrichshafen.

Seinem am Samstag erschienenen Artikel zufolge nutzen die Autokonzerne die Umstellung auf Elektromobilität zum Abbau von Arbeitsplätzen und zur Verschärfung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Das Münchener Ifo-Institut habe am Freitag sinkende Profite in der deutschen Automobilbranche gemeldet. Die Aktionäre forderten nun eine verstärkte Ausbeutung der Beschäftigten: 

"Damit ihre (von den Aktionären) Renditen weiter steigen, müssen die rund 800.000 bei den Herstellern und ihren Zulieferern Beschäftigten noch stärker zur Ader gelassen werden", so wsws.

Kein Arbeitsplatz, keine soziale Absicherung, keine Arbeitsbedingung, kein Lohn sei mehr sicher vor denjenigen, die um die Kürzung ihrer Profite bangen. Studien zufolge würden bei der Umstellung auf Elektromobilität bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen, also über 300.000. Laut dem statistischen Bundesamt sind mit aktuell 774.300 Mitarbeitern bereits jetzt 60.000 Personen weniger in der Automobil- und Zulieferindustrie beschäftigt als noch im Jahr 2018.

Volkswagen hat Absatzprobleme mit E-Autos

Zum Wochenbeginn teilte VW-Markenchef Thomas Schäfer bei einer Vollversammlung im Werk in Wolfsburg mit, "als Marke VW" sei man "nicht mehr wettbewerbsfähig". Aufgrund von Absatzproblemen – insbesondere bei Elektrofahrzeugen – soll der Konzern bis 2026 zehn Milliarden Euro einsparen. Dazu, erklärte VW-Konzernchef Oliver Blume, müsse man "ran an die kritischen Themen, auch beim Personal".

Auch bei der VW-Softwaretochter Cariad werde man bis 2026 2.000 der 6.500 Arbeitsplätze abbauen. Am Standort Zwickau pausiert die Herstellung des ID.3 und des Cupra Born, die diesjährige Produktion sei schon abgearbeitet. Zum Jahreswechsel werden zunächst weitere 500 befristete Anstellungen von den insgesamt 10.000 Beschäftigten aufgegeben.

"Auf Hochtouren" würden Funktionäre der IG Metall mit dem VW-Betriebsrat am Abbau Tausender Arbeitsplätze mitwirken. Dazu erklärte der VW-Personalvorstand Gunnar Kilian vor der Gewerkschaft: "Wir müssen unsere Kosten senken und mit weniger Personal auskommen." Die Altersteilzeit soll zum Stellenabbau eingesetzt werden. Betriebsratschefin Daniela Cavallo wolle den Abbau "sozialverträglich" gestalten.

Ford

Bei Ford in Köln sollen in den kommenden drei Jahren von 3600 Stellen in der Entwicklung rund 1700 abgebaut werden. Auch in der Verwaltung werden Tausende Arbeitsplätze aufgegeben. Schon in einem halben Jahr wird das Forschungszentrum in Aachen geschlossen. In der vergangenen Woche wurde am Standort Köln-Merkenich auf einer Betriebsversammlung mitgeteilt, dass "die gesamte Produktentwicklung am Standort Köln-Merkenich in eine eigene GmbH ausgelagert" werde. Dies sei in der Regel der erste Schritt, so der Kommentar von Gaisenkersting, "einen Betriebsteil zu schrumpfen oder abzustoßen".

In Saarlouis hatte Ford vor eineinhalb Jahren die Werksschließung angekündigt. Seitdem wickelt der Betriebsrat dort Arbeitsplätze hab. In diesem Jahr werden dort insgesamt 900 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren, bis spätestens Mitte 2025 werden weitere 2850 Menschen bei VW in Saarlouis vom Stellenabbau betroffen sein. Nur 1000 Stellen sollen bis 2032 bewahrt werden.

Opel

Bei Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall habe sich der Absatz in den letzten sieben Jahren in Europa auf 428.000 Fahrzeuge fast halbiert. Nachdem Opel 2017 vom französischen Konzern PSA (Peugeot/Citroën) – inzwischen Stellantis – übernommen worden war, wurden auch bei diesem Konzern Tausende von Stellen gestrichen. In der vergangenen Woche wurde auch den 100 Beschäftigten der Designabteilung "Computer Aided Design" (CAD) in Videokonferenzen übermittelt, dass der Bereich dichtgemacht werde. Der Stellantis-Konzern will auch in Italien rund 15.000 von noch circa 45.000 Arbeitsplätzen abbauen. Opel werde eher kurz- als mittelfristig vom Markt verschwinden, schreibt Gaisenkersting dazu.

ZF Friedrichshafen

In der Zulieferbranche sieht es nicht besser aus. Der nach Bosch größte deutsche Zulieferer ZF Friedrichshafen spiele "derzeit alle möglichen Abbau-Szenarien durch, um die weltweit 165.000 Beschäftigten unter Druck zu setzen". Unter anderem drohe der Vorstand mit der Vernichtung von mehr als 7.000 Arbeitsplätzen im Werk Saarbrücken. Aktuell bauen dort noch rund 10.000 Beschäftigte fast ausschließlich Getriebe für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

Am Standort Eitorf bei Bonn werden alle 590 Arbeiterinnen und Arbeiter in den nächsten Jahren ihre Arbeit verlieren. Bei ihren 350 Kollegen in Gelsenkirchen, die dort bislang Lenkungen und Kabelbäume herstellen, endeten die Beschäftigungssicherungen zum Jahresende.

Mahle, Vibracoustic, Goodyear, Michelin und Continental

Auch der Kolbenspezialist Mahle (knapp 72.000 Beschäftigte Ende 2022) baue seine Produktion um. Das Unternehmen mit Sitz in Stuttgart hatte kürzlich erst seine gesamte Thermostat-Sparte mit rund 600 Arbeitsplätzen verkauft. Im brandenburgischen Wustermark wandelte der Konzern den Standort in eine GmbH um. Mahle könne diesen Standort aus dem Konzern herauslösen und verkaufen, habe die IG Metall mitgeteilt.

Mitte November erfuhren die 410 Beschäftigten von Vibracoustic in Weinheim, dass ihre Arbeitsplätze nach Frankreich und Indien verlagert werden. Bislang stellten sie Antivibrationssysteme aus Gummi sowie Luftfedersysteme in Deutschland her.

Von den zwölf Reifenfabriken hierzulande sollen vier in den kommenden Jahren geschlossen werden. Goodyear schließt seine Werke in Fulda und Fürstenwalde mit insgesamt 1.800 Beschäftigten. Michelin schließt bis Ende 2025 seine Lkw-Reifenwerke in Karlsruhe und Trier. In Homburg wird die Produktion von Neureifen und Halbfertig-Produkten eingestellt. Der Reifenhersteller Continental will im Verwaltungsbereich in Deutschland 1.000 Stellen abbauen.

Arbeiter und Angestellte werden massiv unter Druck gesetzt

Nach der Analyse auf wsws werden diese "Drohszenarien" sowohl von Werksleitungen als auch von Betriebsräten dazu genutzt, um sogenannte "Zielbild-Prozesse" über zukünftige Aufträge zu entwickeln. "Aufgrund dieser fiktiven Pläne werden den Beschäftigten dann massive Zugeständnisse abgepresst und angebliche "Standortsicherungsverträge" vereinbart, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen." Zuletzt sei man auch mit den 5.500 Beschäftigten in der Nutzfahrzeugsparte am Traditionsstandort Friedrichshafen so verfahren. Sie stellen dort unter anderem Lkw-, Bahn- und Marine-Getriebe her.

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