International

Wo sich China mit Russland zusammenschließen muss, um den USA die Stirn zu bieten

Während sich die Ukraine-Krise verschärft, mehren sich die Berichte, dass die Biden-Regierung Sanktionen gegen Russland im Technologiebereich erwägt. Insbesondere im Bereich der Halbleitertechnik – dem Herzstück unserer modernen Technologie.
Wo sich China mit Russland zusammenschließen muss, um den USA die Stirn zu bietenQuelle: AFP © Mikhail METZEL / SPUTNIK

Eine Analyse von Tom Fowdy

Durch eine Stärkung ihrer Position in der Wertschöpfungskette moderner Halbleiter würden die USA im Wesentlichen jene Maßnahmen wiederholen, die sie gegen das chinesische Telekomunternehmen Huawei ergriffen haben. Diesmal würden sie jedoch auf einen Staat abzielen. Jedem dritten Unternehmen in dieser Wertschöpfungskette, das amerikanische Patente zur Herstellung von Halbleitern nutzt, eine Lieferung nach Russland zu verbieten, käme einem effektiven Technologie-Embargo zulasten Moskaus gleich. Wie China kürzlich erfahren musste, läuft dies auf einen Akt der extraterritorialen Gerichtsbarkeit der USA hinaus, der den globalen Halbleitermarkt und die Lieferkette politisiert. Das wiederum veranlasste Peking dazu, seine eigene Industrie und seine eigenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu entwickeln.

Während Huawei bisher das einzige Unternehmen ist, das diesen strengen Regeln im vollen Umfang unterliegt, wurden rund 400 Unternehmen auf Amerikas gefürchtete "Körperschafts-Liste" gesetzt – ein Instrument, das von den USA verwendet wird, um den Handel einzuschränken. Diese Liste umfasst alle Branchen von Telekommunikation über Computer, Luftfahrt, Biotechnologie, Kernenergie und vieles mehr. Solche Beschränkungen auf ein Land von der Größe Russlands anzuwenden, wäre in der Zeit nach 1991 beispiellos. Dieser Maßstab und Amerikas aggressive Politisierung der globalen Halbleiter-Lieferkette, sind ein Ergebnis des sich ändernden globalen politischen Kontexts, den wir derzeit erleben. Das veranschaulicht auch die Denkweise hinter der US-Außenpolitik. Wie ich bereits mehrmals kommentiert habe, sind die USA davon besessen, um jeden Preis eine einseitige Hegemonie zu wahren. Vor diesem Hintergrund sind Sanktionen in der Halbleiterindustrie für Washington zu einem bevorzugten Instrument geworden. Ihr Monopol bei kritischen, strategischen Technologien können die USA mit dem Ziel nutzen, sich wirtschaftliche Vorteile gegenüber anderen Marktteilnehmern zu verschaffen.

Unabhängig davon, was in der Ukraine passiert, sollte Russland also damit rechnen, dass es irgendwann in irgendeiner Form diesen Sanktionen ausgesetzt sein wird. Und dies versetzt Moskau in dieselbe Position wie Peking: Es muss dringend seine Abhängigkeiten von US-amerikanischer Technologie abbauen, die ohne Vorwarnung als Waffe verwendet werden können. Russland verfügt über zahlreiche eigene Stärken in den Bereichen Ingenieurwesen, Luft- und Raumfahrt sowie Militärtechnologie. Doch stellt Amerikas Patentmonopol für Halbleitertechnologie ein strategisches Problem dar. Zumal die Vereinigten Staaten Industriezweige in Südkorea, Taiwan, Japan und den Niederlanden aufgebaut haben, über die sie die Kontrolle ausüben.

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass Russland und China in diesem Bereich zusammenarbeiten. Angesichts der Herausforderung durch die USA hat sich bereits eine wachsende Zusammenarbeit bei strategischen Technologien in einer Reihe von Bereichen entwickelt, einschließlich Luftfahrt, Militär und Raumfahrt. Aber auch das Thema Halbleiter muss ins Gesamtbild rücken. 

Um ihren Einfluss auf die globale Lieferkette für Halbleiter weiter zu festigen, haben die USA wichtige Unternehmen stark gemacht, um Kapazitäten im Inland oder in befreundeten Ländern aufzubauen. Erst letzte Woche kündigte Intel ein neues Werk im US-Bundesstaat Ohio an – kurz nachdem die USA es davon abgehalten haben, in ein Werk in China zu investieren. Ebenso haben die Vereinigten Staaten das wichtigste Unternehmen für Halbleiter, die Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) dazu gedrängt, ein Werk in Arizona und eines in Japan zu bauen. Es ist völlig klar, dass Halbleiter kein global freies Handelsgut mehr sind, sondern ein Schlüsselelement der Geopolitik.

Pekings Ziel besteht weitgehend darin, seine eigenen Fähigkeiten und Vorräte für seine eigenen Entwicklungen zu sichern. Es sollte aber ebenso anerkennen, dass seine Ziele besser unterstützt werden, wenn die chinesische Regierung auch andere Länder in denselben Kampf einbezieht und man sich gegenseitig unterstützt. Dies würde es den USA erschweren, China als Zielscheibe herauszugreifen und die Industrie global im Griff zu behalten. In diesem Sinne wäre es für Peking ratsam, mit Moskau nach gemeinsamen Halbleiterlösungen zu suchen. Einschließlich der Einrichtung gemeinsamer Projekte zur Entwicklung neuer Patente in der Lithografie und anderen kritischen Technologien, der Bündelung und Weitergabe von Fachwissen und der Intensivierung der akademischen und Forschungszusammenarbeit zwischen Universitäten, Unternehmen und Institutionen.

Auch für relevante chinesische Unternehmen würde es sich lohnen, in Fertigung und Kapazitäten in Russland zu investieren. Beispielsweise ist Huawei die Nutzung fast aller US-Technologien untersagt. Folglich wäre das Unternehmen besser in der Lage, Russland zu unterstützen als andere Unternehmen, die weiterhin Sanktionen unterliegen könnten. Nicht zuletzt, da Huawei die Herstellung seiner eigenen Ausrüstung zur Chipherstellung vorbereitet. Ebenso sollte das chinesische Halbleiterunternehmen SMIC erwägen, in Kapazitäten in Russland zu investieren, um eine strategisch sicherere Lieferkette zu etablieren und sich gegenseitig ergänzende heimische Industrien aufzubauen.

Es wäre ein strategischer Gewinn für die USA, wenn sie das Instrument der Sanktionen im Halbleitermarkt kontinuierlich gegen beide Länder einsetzen können, aber deren Reaktion nicht koordiniert ist. Russland verfügt über langjährige wissenschaftliche Expertisen, während China eine zunehmend gebildete Bevölkerung mit überschüssigen Ressourcen hat. Aber in beiden Fällen sollte die Halbleiterproduktion ein wichtiger Schwerpunkt sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das sich verändernde internationale Umfeld hat dazu geführt, dass die Halbleiter zur beliebtesten politischen Waffe der USA geworden sind. Die Vereinigten Staaten haben ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, ihre traditionelle Dominanz in diesem Bereich zu nutzen, um geopolitische Gegner anzugreifen und den boomenden Bedarf an dieser Technologie in unserer zunehmend digitalisierten Welt auszunutzen. China befindet sich bereits in einem Wettlauf, um zu verhindern, dass dies zum kritischsten Aspekt seiner Eindämmung wird. Und alles deutet darauf hin, dass die USA bei Russland den gleichen Ansatz verfolgen werden.

Infolgedessen müssen China und Russland eine gemeinsame Strategie und einen Fahrplan entwickeln, um damit umzugehen. Wenn sie eine gemeinsame Basis auf dem Mond anstreben können, dann können sie sicherlich auch das Dilemma rund um die Halbleiter lösen. Sie würden sich damit gegen die Politisierung und Bewaffnung einer ganzen Industrie auf der Grundlage amerikanischer Präferenzen wehren.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy

Mehr zum Thema - "Zusammen für Frieden und Sicherheit" – Teheran, Moskau und Peking starten gemeinsame Marineübung

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.