International

Die ukrainischen Eliten sind wirklich sauer auf Elon Musk – und hier sind die Gründe

Elon Musk, der Chef von Tesla und SpaceX sieht sich in den ukrainischen Sozialen Medien heftiger Kritik gegenüber. Unser Korrespondent in Donezk erklärt, warum der Friedensplan von Musk für so viel Empörung gesorgt hat.
Die ukrainischen Eliten sind wirklich sauer auf Elon Musk – und hier sind die GründeQuelle: Gettyimages.ru © Nikolas Kokovlis / NurPhoto via Getty Images

Eine Analyse von Wladislaw Ugolny

Twitter ist ein ziemlich spezielles soziales Netzwerk. Im Grunde repräsentiert es all die Dinge, die Moskau nicht mag. Es ist eine amerikanische Firma, die auch damit beschäftigt ist, große Datenmengen von seinen Nutzern zu sammeln; es wendet strenge Zensurbeschränkungen an; es blockiert oder sperrt russische Nutzer und fördert westliche Politiker, die sich in einer Echokammer zusammengeschlossen haben, um auf den jeweils nächsten Zug aufzuspringen.

Weiter findet man auf der Plattform Söldner aus dem Westen, die in der Ukraine kämpfen und ihre Hassbotschaften – und weit Schlimmeres – verbreiten, schwere Salven antirussischer Propaganda und sogenannte OSINT-Experten, die regelmäßig Falschinformationen verbreiten, um Kiew zu unterstützen. Und vergessen wir zu guter Letzt nicht das "NAFO"-Netzwerk von Trollen und Bots.

Twitter ist ein schrecklicher Ort, wenn da nicht eine Sache wäre. Manchmal passieren da sehr lustige Dinge. Schreckliche zwar, aber dennoch auch lustig. Zum Beispiel hat Elon Musk vergangene Woche eine Reihe von Gedanken über den Verlauf des russisch-ukrainischen Militärkonflikts veröffentlicht und Vorschläge zu dessen friedlicher Beendigung gemacht. Da der Magnat dabei ausgeglichen und überlegt argumentierte, traf er damit einen empfindlichen Nerv bei den Ukrainern und bei denen, die sich als "Freunde der Ukraine" sehen.

Tesla-Gründer im virtuellen Fadenkreuz

Musk hatte mit seinen Gedanken teilweise recht, als er auf unterschiedliche Mobilmachungsmöglichkeiten der beiden Kriegsgegner hinwies. Allerdings sollte man bedenken, dass er dabei wahrscheinlich noch zu gnädig mit der Ukraine war. Das Land ist dermaßen auf einem Irrweg, dass es seit über 20 Jahren keine Volkszählung mehr gegeben hat und man daher gar nicht weiß, wie viele Menschen derzeit dort leben. Inzwischen hat Kiew auch ganze Regionen verloren – die Situation ist also noch ausgeprägter als ein dreifaches russisches Übergewicht.

Den Ukrainern gefiel auch nicht seine Idee, Referenden über den Status von umstrittenen Gebieten abzuhalten, die von internationalen Organisationen überwacht werden sollten. Insbesondere wurde die UNO erwähnt, bei der Kiew ständig um diplomatische Unterstützung bettelt.

Allerdings ist es den Ukrainern völlig egal, ob Referenden fair durchgeführt werden oder nicht. Denn in Wirklichkeit scheren sie sich keinen Deut um den Willen der Bewohner von umkämpften Regionen. Sie wollen lediglich ihre militärische Kontrolle darüber und die Möglichkeit erhalten, diese von widerspenstiger Bevölkerung zu säubern.

Als Reaktion auf eine von Musk veranstaltete Twitter-Umfrage zu möglichen Friedensschritten, die sofort von Kiews Bot-Armee angegriffen wurde, erstellten die Leute hinter den sozialen Medien des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij eine alternative Umfrage: "Welchen Elon Musk magst du lieber – den, der die Ukraine unterstützt, oder denjenigen, der Russland unterstützt?"

Hier sollte daran erinnert werden, dass Musk bis zu dieser besagten Woche ein Idol für die Ukrainer war, nachdem er das ukrainische Militär mit seinen Starlink-Geräten ausgestattet hatte, um so auf dem Schlachtfeld Internet bereitzustellen. Selenskij sprach Anfang März 2022 persönlich mit Musk und bat ihn um diese Ausrüstung.

Jetzt aber hat sich die Stimmung gedreht. "Ich denke, wir müssen uns mit Elon Musk absprechen. Nicht er sagt uns, wo die Grenzen unseres Landes enden, und wir sagen ihm nicht, wie er zum Mars kommt. Oder wir sagen ihm, wohin er sich scheren soll", postete der ukrainische Journalist Roman Schraik, in Anspielung auf das ukrainische Meme "Russisches Kriegsschiff, f**k Dich".

Insgesamt waren die Meinungen der ukrainischen Nutzer geteilt zwischen dem Wunsch, Musk ein Geschichtsbuch zu schenken – das zufällig nur beweisen würde, dass die Krim historisch zu Russland gehörte – und dem Wunsch, den Geschäftsmann zu beleidigen.

Infolgedessen erklärte Musk, dass er die Ukraine weiterhin mit Starlink unterstützen werde, warnte jedoch davor, dass eine Eskalation des Konflikts katastrophale Folgen sowohl für das Land selbst als auch für die Welt haben könnte. Tatsächlich war dies der Grund für eine so heftige Reaktion der Ukrainer, die – wie man sich vergegenwärtigen muss – unter einem ständigen Feuer mit Propaganda stehen, in einem Land, in dem das Regime von Selenskij praktisch alle Medien außerhalb seiner Kontrolle hat schließen lassen.

Ein Frieden ist der Feind von Kiew

Für viele Ukrainer ist der aktuelle Konflikt verständlicherweise ein apokalyptisches Ereignis. Das ganze Land ist auf diese eine Sache fixiert: Frauen unterstützen die Kriegswirtschaft, Männer werden gewaltsam eingezogen und an die Front geworfen. Selbst wenn Kiew nach dem Ende der Kämpfe irgendwie als Sieger hervorgehen sollte, werden die demographischen Folgen schockierend sein. Was auch immer passiert, was von der Ukraine übrig bleibt, sieht einer düsteren Zukunft entgegen. Eine Zukunft, die immer eine offensichtliche Folge der vom Westen unterstützten Maidan-Bewegung sein wird, mit der die zerbrechliche Einheit des Landes zerstört wurde.

Das mag erklären, warum sich die Ukrainer nicht wirklich Sorgen um den Rest der Welt machen. Sie glauben, dass die "Weltgemeinschaft" die Ukraine selbstverständlich mit Finanzen, Ausrüstung, Waffen und Sanktionsdruck auf Russland unterstützen muss, während sie Söldner und Ausbilder schickt und die diplomatische Isolierung Moskaus organisiert. Wenn jemand vorschlägt, sich zu besinnen und über mögliche Konsequenzen nachzudenken, werden die meisten Ukrainer wütend.

Dies erklärt die Angriffe auf Musk.

Lassen wir Alexei Arestowitsch, Berater des Büros vom Präsidenten der Ukraine und einer der wichtigsten Ideologen der modernen Ukraine, zu Wort kommen:

"Also wird es nicht nur keine 'guten Russen' mehr geben, sondern auch keine 'guten Staatsbürger anderer Nationen'. Wir werden autarke Waisen sein – aber mit der Krim und dem Donbass unter unserer Kontrolle. Im Allgemeinen gibt es diese seelenlose Ansammlung von Gemütern, wie Jordan Peterson, Papst Franziskus – und jetzt dieser Marsmenschen. Das bedeutet, dass es im Westen einen ziemlich weit verbreiteten intellektuellen Trend gibt. Nun … dann holen wir uns auch ihn [Musk]."

Der intellektuelle Trend, auf den sich Arestowitsch abfällig bezieht, ist der Wunsch, einen zerstörerischen Krieg in Europa zu verhindern und Streitigkeiten möglichst durch Diplomatie beizulegen, so wie es für den Donbass fast acht Jahre lang versucht wurde, und die Hoffnung, das Wohlergehen der Bürger durch nachhaltige Politik und wirtschaftliche Lösungen zu gewährleisten. Somit ist das "gemütliche Europa", das die Maidan-Demonstranten anstrebten, nun zu einer Bedrohung für die Ukraine geworden.

Ein Westeuropa, das bereits zögert, die Dinge aufzumischen und seinen Verteidigungshaushalt auf mindestens zwei Prozent des BIP zu erhöhen, hat sich als zu rational erwiesen, um sich auf das apokalyptische Gemetzel eines "Krieges bis zum letzten Ukrainer" einzulassen, wie es von vielen in den USA favorisiert wird. Der durchschnittliche EU-Bürger will nicht riskieren, auf dem Schlachtfeld eines Nuklearkonflikts zu stehen, nur um dem offiziellen Kiew zuliebe dabei zu helfen, den Donbass von seinen Bewohnern zu säubern. Sie wollen nicht einmal auf russisches Gas verzichten, da dies ihren Lebensstandard beeinträchtigt.

In den USA ist es übrigens genauso. Washingtons Eliten haben die Ambition, der globale Hegemon und gleichzeitig der Weltgendarm zu sein, während US-amerikanische Ölkonzerne und spekulative Händler nichts dagegen haben, mit steigenden Preisen Geld zu verdienen. Der normale US-Amerikaner ist jedoch viel mehr an einer ununterbrochenen Versorgung mit Waren zu bezahlbaren Preisen interessiert. Außerdem können überhaupt nur wenige von ihnen auf einer Weltkarte richtig zeigen, wo die Ukraine liegt. Diese Art von "Kleinbürgertum" ist die größere Bedrohung für diese Ukraine als ein Staat, der sein gesamtes Überleben auf internationale Unterstützung gesetzt hat.

Wer nicht für die Ukraine stirbt, ist ein Russe

Kiew weigert sich, mit Russland zu verhandeln, gerade weil es diese ausländische Unterstützung hat. Die Ukraine hat militärische Niederlagen erlitten in der Hoffnung, dass externe Hilfe kommen würde, um diesem Trend entgegenzuwirken. Kiew hat selbstmörderische Gegenangriffe angeordnet, um ausländische Staaten zu inspirieren, dann noch mehr zu unterstützen. Und Kiew versucht, seine Unterstützer im Westen dazu zu drängen, sich immer stärker in den Konflikt einzumischen.

Der Höhepunkt dieser Politik war das Bühnenstück von Selenskij bei der Unterzeichnung eines Antrags zum beschleunigten Beitritt der NATO. Präsident Wladimir Putin hat einen Vertrag mit den Donbass-Republiken und zwei ehemaligen ukrainischen Regionen unterzeichnet? Somit hatte Selenskij das Gefühl, auch etwas unterschreiben zu müssen. Es war eine Aktion, mit der die Entschlossenheit der Ukraine demonstriert werden sollte, ihre Souveränität zu verteidigen. Leider hat man sich, wie immer in Kiew, dazu entschieden, die eigene Souveränität mit der Mitgliedschaft in einer internationalen Organisationen zu verteidigen – das heißt die eigenen Probleme auf Kosten anderer zu lösen.

Der Beitritt der Ukraine als ein Land im Krieg und mit ungelösten territorialen Streitigkeiten ist nach der NATO-Charta unmöglich. Die Ukrainer ignorieren dies jedoch und fordern eine Art "Schnellverfahren", das es nicht gibt. Dies war nicht bloß eine Medienaktion, um die Bürger der Restukraine nach dem Verlust der ehemaligen ukrainischen Gebiete an Russland zu trösten. Es war eine Forderung nach verstärkter Unterstützung bis hin zu Garantien für den Eintritt in die Kämpfe seitens aller NATO-Staaten.

Elon Musk hat recht: die Ukraine ist Russland in Bezug auf militärische Fähigkeiten und Bevölkerungszahl unterlegen. Und jetzt, nachdem Moskau eine Teilmobilmachung angekündigt hat, wird es offensichtlich. Die Ukrainer hatten bis zuletzt gehofft, dass eine Mobilmachung aus innenpolitischen Gründen von Putin nicht angekündigt werde. Sie ist jedoch jetzt im Gange und wir werden die Resultate daraus bis Ende Herbst sehen.

Die Fähigkeit der Ukraine, die verhassten "Kollaborateure" aus dem Donbass, aus Cherson, Saporoschje und der Krim noch überrennen zu können, ist somit in weite Ferne gerückt. Aber wenn Kiew nicht selbst einen Völkermord an Zivilisten durchführen kann, wird es alles tun, damit ausländische Truppen gegen die Russen kämpfen, während die ukrainischen Soldaten Kriegsverbrechen gegen die "Kollaborateure" begehen können – auch wenn der Preis dafür der Dritte Weltkrieg ist.

Genau davor warnte uns Elon Musk.

Übersetzt aus dem Englischen.

Wladislaw Ugolny ist ein russischer Journalist aus Donezk.

Mehr zum ThemaUkraine-Solidarität: Elon Musk fordert vom Pentagon finanzielle Unterstützung für Starlink-Systeme 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.