Meinung

Springer-Blatt kann auf Foto von Asow-Regiment mit SS-Symbolen keine Nazis erkennen

"Alles Lüge": Wer das Asow-Bataillon als neonazistisch bezeichnet, sei russischer Propaganda aufgesessen, behauptete die Welt jüngst. Dazu zeigte sie Asow-Kämpfer mit mehreren SS-Symbolen. Offenbar als Reaktion auf Kritik wurde diese Darstellung nun geändert.
Springer-Blatt kann auf Foto von Asow-Regiment mit SS-Symbolen keine Nazis erkennen

Von Susan Bonath

Wer schon einmal gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert hat, kann ein Lied davon singen: Aus einem Leitmedium seiner Wahl konnte man im Anschluss Dinge über sich erfahren, die man oft selbst nicht geahnt hatte. Man sei ein "Corona-Leugner" oder "Schwurbler" und habe sich mit Nazis und Reichsbürgern gemein gemacht. Und überhaupt, irgendwie sei jeder eine Art Nazi, der Politik und Medien kritisiert und zufällig hier und da "Beifall von rechts" bekomme.

Doch glaubt man gewissen deutschen Medien, scheint es Nazis nur in Deutschland und Russland zu geben. Der politisch korrekte deutsche "Antifaschist" steht heute an der Seite von USA, NATO und EU, und neuerdings auch an der Seite des Teils der Ukraine, der so gerne in die NATO möchte. Der konforme "Antifaschist" hat gefälligst dem Imperialismus zu huldigen. Tut er dies nicht, macht er sich bei Herrschenden und Tonangebern des Nazismus verdächtig.

Nazis in der Ukraine? Gibt es nicht, alles nur Russenpropaganda, findet Springers Welt. Am 22. April leistete sich das Blatt einen Fauxpas, der es in sich hat: Über einem Foto, das eine Zeremonie des Asow-Batallions in der Ukraine zeigt, prangte die Überschrift: "Die Lüge vom 'neonazistischen' Bataillon und die Schuld des Westens". Dabei trugen die Asow-Kämpfer auf diesem Bild gleich mehrere bekannte Neonazi- und SS-Symbole unübersehbar martialisch zur Schau.

Im Zeichen der SS

Das Foto entfernte die Welt inzwischen still und heimlich aus dem Artikel. Auch die Überschrift veränderten die Verantwortlichen ohne jeden Hinweis. Offenbar bekam man bei der Zeitung mit, dass sich Screenshots von dem Artikel in sozialen Medien verbreiteten, samt dem Vorwurf der Verharmlosung der Verbrechen deutscher Nazis.

An ein Versehen des Springer-Blattes glauben mag man eher nicht. Es ist wenig plausibel, dass derartig bekannte Nazisymbolik in den Redaktionen deutscher Zeitungen nicht bekannt sein könnte. Gleich mehrfach groß zu sehen ist zum Beispiel die sogenannte Wolfsangel. Dieses Zeichen benutzten einige SS-Divisionen zur Zeit Nazi-Deutschlands. Es gilt heute als Erkennungssymbol von Neonazis in aller Welt und ist in Deutschland in diesem Zusammenhang verboten.

Anders in der Ukraine: Dort zierte es viele Jahre das Abzeichen der rechtsradikalen Partei Swoboda. Heute prangt es auf den Flaggen des Asow-Bataillons. Dieses entstand im Zuge der gewalttätigen Maidan-Proteste im Jahr 2014 als rechtsextreme, paramilitärische Einheit. Neben einem weiteren Bataillon ähnlicher Ausrichtung namens "Dnipro" wurde Asow maßgeblich von dem ukrainischen Milliardär Igor Kolomoiski finanziert und aufgerüstet. Fünf Jahre später betätigte sich Kolomoiski als Wahlhelfer des heutigen ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij.

Auf seinem Youtube-Kanal spinnt das heute in die ukrainische Nationalgarde eingegliederte Regiment weiter sein Heldenepos vom aufopferungsvollen Kampf für die Ukraine – und zwar als ethnisch reines Land, frei von Russen, Sinti und Roma sowie anderen Minderheiten.

Aktuell veröffentlichen die Asow-Kämpfer aus den Bunkern unter dem Stahlwerk von Mariupol fast täglich kurze Videoclips mit schwer angeschlagenen Zivilisten, offenbar um die NATO zum Eingreifen zu animieren. Die gezeigten Zivilisten, darunter auch Kinder, sind wahrscheinlich ihre Geiseln und dienen ihnen als menschliche Schutzschilde. Denn es gab viele Angebote der russischen Streitkräfte an sie, die Bunkeranlage zu verlassen, um untergebracht und medizinisch versorgt zu werden. Sie blieben ungenutzt.

"Neonazis im Dienst der Regierung"

2019 hatten große deutsche Medien über ukrainische Neonazis zuweilen noch halbwegs wahrheitsgemäß berichtet, wie hier die Süddeutsche Zeitung. Überhaupt war vor 2022 noch alles ein bisschen anders. Während heutzutage, zumindest laut Welt und, dezenter, auch einigen anderen Medien, SS-Symbole in riesengroß noch keinen Nazi machen, hatte die ARD 2014 den Aufstieg ukrainischer Rechtsextremer im Zuge der Maidan-Proteste dokumentiert und diese "Hitlers Helfer" genannt.

Der Focus hatte vor acht Jahren in der Ukraine "Neonazis im Dienst der Regierung" gesehen. Die taz hatte 2018 kritisiert, dass die Ukraine bewaffnete Rechtsextreme mit Staatsgeld aufpäppele. Und die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hatte im selben Jahr das Regiment Asow und andere neonazistische Freiwilligen-Bataillone als neue "informelle Machthaber in der Ukraine" erkannt.

Und 2019 hatte Amnesty International besorgt festgestellt: Selenskij zeige "kein Interesse, rechtsextreme Angriffe auf Roma und zivilgesellschaftliche Akteure stärker zu verfolgen als sein Vorgänger".

Seit 2014 lässt die ukrainische Regierung die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung im Donbass beschießen, an vorderster Front durch das in Mariupol stationierte Asow-Regiment. Auch unter Selenskij, der angeblich den antirussischen Krieg befrieden wollte, hielt der Beschuss an. Mehr noch: Anfang 2021 torpedierte Selenskij ganz offen das Minsker Abkommen. Er unterzeichnete ein Dekret, wonach die Krim zurückerobert werden solle, und ließ die Donbass-Republiken aus der Luft angreifen. Am 16. Februar 2022 ließ er den Dauerbeschuss auf Donezk und Lugansk nochmals verstärken. Russland erkannte die beiden Gebiete als Volksrepubliken an und eilte den Bewohnern zu Hilfe.

Auf dem rechten Auge blind

Doch zurück zum Welt-Artikel: Neben der Wolfsangel prangte auch die sogenannte Schwarze Sonne auf jenem Titelbild, das angeblich keine Neonazis darstellt. Dies ist ebenfalls ein bekanntes Erkennungssymbol der weltweiten Neonazi-Szene. Bis 2015 hatte es das Abzeichen des Asow-Bataillons geziert, inzwischen wurde es daraus entfernt, die Wolfsangel ist geblieben. Es stellt zwölf Siegrunen oder drei übereinandergelegte Hakenkreuze dar. Zur Zeit des deutschen Faschismus hatte die SS KZ-Häftlinge aus dem Lager Niederhagen dazu gezwungen, es in den Boden ihres Obergruppenführersaals in der Wewelsburg einzulassen.

Überdies leuchtet das Abzeichen der SS-Division Galizien an der Jacke des vorn stehenden Asow-Kämpfers direkt in die Kamera. Diese SS-Division, bestehend aus sieben Regimentern mit etwa je 2.000 Soldaten, darunter vor allem ukrainische Freiwillige, unterstützte Hitlers Armee etwa beim Angriffskrieg gegen die Sowjetunion und verübte zahlreiche Massaker an ethnischen Russen, Polen, Juden, Sinti und Roma. Ist man beim Springer-Verlag, der doch offiziell "politischen und religiösen Extremismus und jede Art von Rassismus und sexueller Diskriminierung" ablehnt, etwa auf dem rechten Auge stockblind?

Trotz dieses martialisch zur Schau gestellten SS-Symbole-Sammelsuriums will das Springer-Blatt keine Nazis erkennen. Oder es verharmlost sie schlicht und untermauert dies sogar noch etlichen Falschdarstellungen und unbewiesenen Behauptungen. Nur eine sei davon erwähnt. So heißt es etwa: "Als Staatspräsident Viktor Janukowitsch 2014 floh, nachdem sein Regime mehr als 100 Demonstranten getötet hatte, nutzte Russland die politischen Unruhen in der Ukraine und das Zögern der westlichen Führung."

Wahr ist, dass die Nach-Maidan-Regierungen in der Ukraine bis heute kein Interesse daran haben, die damaligen Verbrechen aufzuklären. Es spricht vieles dagegen, dass Janukowitschs "Regime" die Morde verüben ließ, denn einige seiner eigenen Polizisten waren zu Opfern geworden. Vieles spricht hingegen für eine Beteiligung neonazistischer Paramilitärs und westlicher Geheimdienste.

Ein antirussischer Rechter und ein "Antideutscher"

Interessant sind daneben auch der Autor dieses Asow-Heldenepos und sein Übersetzer. Verfasser Anton Shekhovtsov, ein auf der Krim geborener ehemaliger Rechtsextremer, der sich heute als zum Liberalen geläuterter Aufdecker von Rechtsextremismus in Russland ausgibt, stellt sich in zahlreichen Beiträgen offen auf die Seite der NATO und der EU und unterstützt einen strikten antirussischen Kurs der Ukraine.

Aus dem Englischen übersetzt hat den Text der deutsche Welt-Korrespondent Deniz Yücel. Yücel war in Deutschland bekannt geworden, als er 2017 fast ein Jahr in der Türkei in Haft gesessen hatte. Er gehört dem politischen Spektrum der sogenannten "Antideutschen" an, die sich nur zum Teil heute noch als "Linke" sehen und als glühende Verfechter der NATO, EU und des US-Imperialismus auftreten. Jegliche Kritik an der rechten israelischen Regierungspolitik schimpfen sie "antisemitisch", nicht selten verbreiten sie antimuslimische Propaganda, die jener von rechtsextremen Parteien und Gruppen in nichts nachsteht.

Zu Beginn der 1990er-Jahre waren die "Antideutschen" einst angetreten, um ein neues "großdeutsches" Reich nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung (oder besser: Annexion der DDR) zu verhindern und die Welt von neuen Nazis zu befreien. In den letzten Jahren hatten sie es jedoch insbesondere auf Kritiker der Politik der USA und dem Vorgehen der NATO abgesehen, denen sie eine Nazi-Gesinnung unterstellten. Bei den SS-Symbolen hat mancher von ihnen aber wohl nicht so gut aufgepasst.

Und nun fühlte sich die Welt wohl ertappt bei ihrem Ausschweifen in tiefbraune Gefilde. Das Foto ersetzte sie durch ein harmloser anmutendes Bild. Die SS-Symbole sind verschwunden. Der bittere Nachgeschmack der Verharmlosung der barbarischen Verbrechen deutscher Nazis an Abermillionen Juden, Sowjetbürgern, Slawen, Roma und Kommunisten bleibt.

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