Meinung

Der "Krieg gegen den Terror" wird wohl demnächst Europa treffen

Das Imperium wird sein Lieblingsprojekt, die Ukraine, verlieren. Aber es wird niemals akzeptieren, den europäischen "Garten" aufgeben zu müssen. Europa droht zu einem neuen Syrien zu werden. Die Zerstörung der Ostseepipelines war nur ein erster Vorgeschmack.
Der "Krieg gegen den Terror" wird wohl demnächst Europa treffenQuelle: AFP © BULENT KILIC / AFP

Von Pepe Escobar

Man soll niemals ein verwundetes und zerfallendes Imperium unterschätzen, das in Echtzeit vor aller Augen zusammenbricht. Die Funktionäre des Imperiums, selbst in "diplomatischer" Funktion, verkünden weiterhin dreist, dass ihre außergewöhnliche Kontrolle über den Rest der Welt zwingend weiterhin erforderlich sei. Denn wenn diese Kontrolle nicht mehr gegeben ist, dann könnten Konkurrenten die Weltbühne betreten und sich in jenes Rampenlicht drängen, auf das die US-Oligarchie derzeit das Monopol hat. Diese Vorstellung ist für das Imperium natürlich ein absoluter Horror.

Der imperiale Modus operandi gegen geopolitische und geoökonomische Konkurrenten bleibt derweil derselbe: eine Lawine von Sanktionen, Embargos, Wirtschaftsblockaden, protektionistische Maßnahmen, Kultur-Boykotte, militärische Aufrüstung der Nachbarländer des Gegners und permanente Drohungen. Vor allem aber eine kriegstreibende Rhetorik, wie sie derzeit auf Hochtouren betrieben wird.

Der Hegemon mag zumindest in diesem Bereich "transparent" sein, weil er immer noch ein massives internationales Netzwerk von Institutionen, Finanzinstitutionen, Politikern, Konzernvorständen, Propaganda-Agenturen und die Industrie der Popkultur kontrolliert. Daher diese vermeintliche Unverwundbarkeit, die diese Unverschämtheit hervorbringt.

Panik im "Garten"

Mit der Zerstörung von Nord Stream 1 (NS1) und Nord Stream 2 (NS2) – jeder weiß, wer dahinter steckt, aber der Verdächtige darf nicht genannt werden – wurde das zweigleisige imperiale Projekt, billige russische Energie sowohl von Europa als auch von der deutschen Wirtschaft zu kappen, auf die nächste Stufe gehoben. Aus imperialer Sicht wäre die ideale Nebenhandlung die Entstehung eines von den USA kontrollierten Intermarium – einer Konföderation von Staaten von der Ostsee über die Adria bis hin zum Schwarzen Meer unter der Führung Polens – das eine Art neue Hegemonie in Europa ausübt, im Geiste der Drei-Meere-Initiative. Aber so, wie es aussieht, bleibt das ein feuchter Traum.

Bei der zwielichtigen "Untersuchung" dessen, was wirklich mit NS1 und NS2 passiert ist, wurde Schweden als "Der Aufräumer" gecastet, als wäre man in einer Fortsetzung von Quentin Tarantinos Krimi "Pulp Fiction", weshalb die Ergebnisse dieser "Untersuchung" nicht mit Russland geteilt werden dürfen. "Der Aufräumer" war da, um alle belastenden Beweise zu beseitigen.

Was Deutschland betrifft, so hat es bereitwillig die Rolle des Sündenbocks übernommen. Berlin behauptete, es habe sich um Sabotage gehandelt, vermied es jedoch zu benennen, wer diese durchgeführt haben könnte. Das alles ist eigentlich so unheimlich, wie es nur geht, denn Schweden, Dänemark und Deutschland und die ganze EU wissen, dass, wenn man das Imperium öffentlich konfrontieren würde, das Imperium zurückschlagen und einen Krieg auf europäischem Boden anzetteln wird. Hier geht es um Angst – und damit meine ich nicht Angst vor Russland.

Das Imperium kann es sich einfach nicht leisten, seinen "Garten" zu verlieren. Und die Eliten des "Gartens", mit einem IQ, der gerade mal über Raumtemperatur liegt, wissen, dass sie es mit einem psychopathischen Serienmörder zu tun haben, der einfach nicht zu besänftigen ist.

Unterdessen deutet die Ankunft von General Winter in Europa auf einen sozioökonomischen Abstieg in ein Tal der Dunkelheit hin – noch vor wenigen Monaten undenkbar im vermeintlichen "Garten" der Menschheit, weit weg von den Gefahren des "Dschungels". Aber ab jetzt findet die Barbarei im eigenen Hause statt und die Europäer können sich dafür beim amerikanischen "Verbündeten" bedanken, der gekonnt die ängstliche, unterwürfige EU-Elite manipuliert hat.

Viel gefährlicher ist jedoch ein Gespenst, das nur wenige erkennen können: die bevorstehende Syrisierung Europas. Das wird eine direkte Folge des NATO-Debakels in der Ukraine sein. Aus imperialer Sicht sind die Aussichten auf dem ukrainischen Schlachtfeld düster. Russlands spezielle militärische Sonderoperation ist nahtlos in eine Antiterror-Operation übergegangen: Moskau betrachtet Kiew nun offen als ein terroristisches Regime. Die Schmerzskala steigt schrittweise an, mit präzisen Schlägen gegen die ukrainische Energieinfrastruktur, die Kiews Wirtschaft und sein Militär völlig lahmlegen werden. Und im Dezember kommt ein gut ausgebildetes und hoch motiviertes Kontingent von mobilisierten Reservisten an der Front an.

Die einzige offene Frage betrifft den Zeitplan. Moskau ist jetzt dabei, das Regime in Kiew langsam aber sicher zu enthaupten und damit letztendlich die "Einheit" der NATO zu zerschlagen. Der Prozess der Folterung der EU-Wirtschaft geht unerbittlich weiter und die wirkliche Welt außerhalb des kollektiven Westens – der globale Süden, von Afrika über Lateinamerika bis Asien – steht auf Seiten Russlands.

Es ist Moskau – und bezeichnenderweise nicht Peking –, das die hegemonial geprägte "regelbasierte internationale Ordnung" auseinanderreißt. Und in Abstimmung mit China, dem Iran und wichtigen eurasischen Akteuren arbeitet Russland daran, alle von den USA kontrollierten internationalen Organisationen endgültig außer Dienst zu stellen, während der globale Süden praktisch immun geworden ist gegen die Ausbreitung psychologischer Einflussnahme durch die NATO.

Die Syrisierung Europas

Auf dem ukrainischen Schlachtfeld ist der Kreuzzug der NATO gegen Russland zum Scheitern verurteilt – auch wenn an mehreren Frontabschnitten bis zu 80 Prozent der dort kämpfenden Truppen aus NATO-Personal bestehen. Wunderwaffen wie HIMARS sind dünn gesät und abhängig vom Ergebnis der US-Zwischenwahlen wird die weitere Bewaffnung der Ukraine ab 2023 wohl nachlassen. Die Ukraine könnte bis zum Frühjahr 2023 auf ein verarmtes schwarzes Loch reduziert worden sein, das nur noch aus dem Rumpf seiner bisherigen Existenz besteht. 

Der imperiale Plan A bleibt die Afghanisierung der Ukraine: eine Armee von Söldnern zu betreiben, die in der Lage ist, die Russische Föderation gezielt zu destabilisieren und/oder zu terrorisieren. Parallel dazu bleibt Europa mit amerikanischen Militärstützpunkten übersät. All diese Stützpunkte könnten die Rolle als Stützpunkte für diesen Terror übernehmen – ganz ähnlich wie in Syrien, in At-Tanf und am östlichen Euphrat. Die USA verloren zwar den langen Stellvertreterkrieg in Syrien, wo sie Dschihadisten gegen die Regierung von Baschar al-Assad instrumentalisierten, wurden aber immer noch nicht vollständig aus dem Land vertrieben.

In diesem Prozess der Syrisierung Europas könnten US-Militärstützpunkte zu idealen Zentren werden, in denen Truppen aus osteuropäischen Emigranten konzentriert und/oder "trainiert" werden, deren einzige Verdienstmöglichkeit – abgesehen von Drogengeschäften und Organhandel –, darin bestehen wird, als imperiale Söldner zu dienen, die gegen jedes Aufflammen zivilen Ungehorsams eingesetzt werden können, der in einer zusehends verarmenden EU auftauchen wird. Es versteht sich von selbst, dass diese "Neue Modell-Armee" von den Eurokraten in Brüssel – die lediglich der öffentlichkeitswirksame Arm der NATO sind – vollständig unterstützt werden wird.

Eine deindustrialisierte EU, eingebettet in mehrere Schichten einer toxischen Zwischenkriegsperiode, in der die NATO die bewährte Rolle des Robocop spielt, ist das perfekte Mad-Max-Szenario, das dem gegenübersteht, was zumindest in den Träumereien der amerikanischen Neokonservativen eine Insel des Wohlstands wäre: die US-Wirtschaft als idealer Hafen für globales Kapital, einschließlich europäischen Kapitals.

Das Imperium wird sein Lieblingsprojekt, die Ukraine, verlieren. Aber es wird niemals akzeptieren, den europäischen "Garten" aufgeben zu müssen.

Pepe Escobar ist ein altgedienter Journalist, Autor und unabhängiger Analyst für Geopolitik, dessen Fokus auf Eurasien liegt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf englischer Sprache bei presstv.ir. Die Veröffentlichung hier erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

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