Meinung

Wie West-Eliten versuchen, die Geschichte umzuschreiben

Seit drei Jahren werden Vertreter Russlands nicht mehr zu Veranstaltungen eingeladen, die der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee gewidmet sind. In Luxemburg wurde nun der russische Botschafter erst zu der jährlichen Gedenkfeier ein-, aber dann wieder ausgeladen.
Wie West-Eliten versuchen, die Geschichte umzuschreibenQuelle: Legion-media.ru © IMAGO/www.imago-images.de

Von Rainer Rupp

Am 27. Januar 1945 befreite die vorrückende Rote Armee der Sowjetunion das Konzentrationslager Auschwitz, in dem die deutschen Nazis während des Zweiten Weltkriegs mit einer Art industriellem Tötungsverfahren zwischen 1,5 bis 2 Millionen Menschen verschiedener Nationalitäten und Ethnien ermordet haben.

In diesem Jahr am Sonnabend, dem 27. Januar, fanden europaweit und darüber hinaus wieder die Gedenkfeierlichkeiten an das ungeheuerliche Verbrechen statt. Dabei ereignete sich im Herzen der Europäischen Union, in Luxemburg, ein unglaublich-scheußlicher Vorfall. Der Direktor des Nationalmuseums für Widerstand und Menschenrechte, in dem auch der ermordeten luxemburgischen Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzer gedacht wird, ein gewisser Herr F. Schröder, beschloss plötzlich, die Einladung des russischen Botschafters zu der Zeremonie zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zurückzuziehen. Der russische Botschafter in Luxemburg, D. Lobanov, schickte ihm daraufhin einen offenen Brief, in dem er ihn daran erinnerte, wessen Truppen das Konzentrationslager befreiten und wem Luxemburg als unabhängiger Staat seine Existenz verdanke.

Die Luxemburger Lokalzeitung Tageblatt bezeichnete den beschämenden Vorgang als eine "peinliche Panne". In ihren historischen Dimensionen stellt diese "Panne" jedoch einen handfesten Skandal dar. Das gewerkschaftseigene Tageblatt und die Anzeigenzeitung L’essentiel berichteten, dass dem Botschafter der Russischen Föderation "versehentlich" eine Einladung zum "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" zugestellt worden sei. Darauf angesprochen, erklärte das Nationale Widerstandsmuseum als Veranstalter des Gedenkens, man habe dem Botschafter mitgeteilt, dass er "nun nicht mehr eingeladen" sei.

"Worum geht es hier?", fragte die Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, die Tageszeitung der KP des Kleinstaates, und erklärte ihren Lesern, dass der 27. Januar im Jahr 2005 von der UNO zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" erklärt worden war. Anlass sei der 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Soldaten der Roten Armee der Sowjetunion gewesen. Die Bilder der sowjetischen Soldaten, die das Tor des KZ aufstoßen und von den dort eingepferchten Häftlingen als Befreier begrüßt werden, die Fotos von den Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee, die den Befreiten medizinische Hilfe leisten und Essen verteilen, gingen zu diesem Anlass seither um die Welt.

Allerdings ist der 27. Januar bereits kurz nach seiner Erhebung zum Gedenktag auch politisch missbraucht worden. So erhebt der Staat Israel bis heute alleinigen Anspruch darauf, den Tag als "seinen" israelischen Gedenktag zu begehen. Ja, dem Terror der deutschen Faschisten, unterstützt von deren Verbündeten und Hilfswilligen, sind insgesamt sechs Millionen Juden zum Opfer gefallen, doch Juden waren nicht die ersten Opfer der Faschisten.

Die ersten Konzentrationslager der Nazis wurden errichtet für politische Häftlinge, nachdem die "normalen" Gefängnisse bereits mit Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und anderen Antifaschisten vollgestopft waren. Später kamen Kriegsgefangene und Nazi-Gegner aus allen von den deutschen Faschisten überfallenen und besetzten Ländern hinzu, auch aus Luxemburg.

Die Befreiung von Auschwitz war also nicht nur eine Befreiung für die jüdischen Häftlinge, sondern für Menschen aus fast allen Ländern Europas. Der Gedenktag ist also ihnen allen gewidmet. Weiter schreibt die luxemburgische KP-Tageszeitung:

"Angesichts der seit Jahren geschürten Konfrontation mit Russland, vor allem angesichts des Krieges in der Ukraine, wird die Russische Föderation aus dem öffentlichen Leben unserer Länder verbannt. Dem russischen Botschafter in Luxemburg wurde schlicht mitgeteilt, dass die Ukraine an dem Gedenken teilnehmen wird, und Ukrainer seien ja Teil der Roten Armee gewesen. Hat man je davon gehört, dass Vertreter der USA nach ihren Kriegsverbrechen in Hiroshima, Vietnam, Irak – die Liste ist lang – von Gedenkveranstaltungen ausgeladen wurden?

In der Roten Armee kämpften Angehörige aller Nationen und Nationalitäten der Sowjetunion. Dieselbe Rote Armee wurde damals in der Ukraine von ukrainischen Faschisten und Nationalisten bekämpft, mit der Waffe, Seite an Seite mit der deutschen Wehrmacht. Die Anführer dieser Hilfswilligen, die aktiv an dem Massenmord an Juden beteiligt waren, werden in der heutigen Ukraine staatsoffiziell als "Nationalhelden" gefeiert. Und das ist der eigentliche Skandal: Repräsentanten des Staates, der Juden-Mörder als "Nationalhelden" verehrt, sollen heute in Esch (Stadt in Luxemburg) der ermordeten Juden gedenken."

Auf seine Ausladung hat der Botschafter der Russischen Föderation in Luxemburg mit einem offenen Brief an den Museumsdirektor geantwortet. Der Brief ist in französischer Sprache und kann über diesen Link auf X (vormals Twitter) auf dem Profil der Russischen Botschaft in Luxemburg aufgerufen werden. Die wichtigsten Passagen des Briefes habe ich übersetzt und sie folgen hiernach:

"Sehr geehrter Herr Direktor,"

(Nach den in diplomatischen Briefen üblichen Höflichkeitsfloskeln folgt der Kern des Offenen Briefes.)

"es stellen sich jedoch einige Fragen. War es "aus Versehen", dass Sie mir die Einladung geschickt haben? Haben sie den Botschafter des Landes, dessen Armee vor 79 Jahren, im Januar 1945, dieses Vernichtungslager befreit und seine noch lebenden Märtyrer gerettet hatte, aus Versehen zur Zeremonie zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eingeladen?

War es 'aus Versehen', dass Sie den Botschafter des Landes eingeladen haben, das auf Kosten von 27 Millionen Menschenleben einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über den deutschen Nationalsozialismus geleistet hat. Ich denke, niemand wird es wagen zu leugnen, dass die Karte Europas und wahrscheinlich auch der Welt ohne diese kollektive Leistung des sowjetischen Volkes heute anders aussehen würde. Und es gäbe sicherlich weder das Großherzogtum Luxemburg, zumindest nicht als souveränen Staat, noch das Museum, das zu leiten Sie die Ehre haben.

Herr Direktor,

wie alle Museumsfachleute auf der ganzen Welt müssen Sie Geschichte lieben und kennen. Ich bin überzeugt, dass Sie diesen zweiten Brief, in dem Sie die Einladung zur Gedenkfeier widerrufen, niemals selbst geschrieben haben. Nur wer die Geschichte nicht kennt oder sie vergessen möchte, um sich nicht mit seinen politischen Spielereien zu blamieren, könnte Ihnen eine so ungeschickte Geste vorgeschlagen haben. Es steht mir nicht zu, zu erraten, welche Gefühle Sie hatten, als Sie diesen zweiten Brief unterschrieben haben, aber ich gebe zu, dass ich mich an Ihrer Stelle schämen würde.

Gezeichnet D. Lobanow

Botschafter der Russischen Föderation

im Großherzogtum Luxemburg"

Dies ist ein weiterer Vorfall, der den hartnäckigen Wunsch der europäischen Eliten dokumentiert, nicht einmal vor irrwitzigen Maßnahmen zurückzuschrecken, um unbequeme Tatsachen, die nicht ins aktuelle politische Narrativ passen, aus der Geschichte auszuradieren. Inzwischen glauben schon die meisten Menschen in den USA und im Westen, dass die US-Armee ganz allein die Wehrmacht zerschlagen und ganz Europa, West und Ost, von den Nazis erlöst hat. Wenn dieser Trend so weitergeht, wird es in ein paar Jahren heißen, dass die siegreiche US-Armee zuerst Auschwitz und dann die undankbaren Russen von den Nazis befreit hat. Und mit KI-hergestellte Fotodokumente werden das schon in den Schulbüchern "beweisen".

Nachtrag: Die Geschichte wird jedoch schneller umgeschrieben, als ich befürchtet habe. Dafür hat die große deutsche Historikerin und Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bereits am 26. Januar, einen Tag vor dem diesjährigen Auschwitz-Gedenktag, gesorgt. In ihrer offiziellen Erklärung "Nie wieder gilt jetzt" findet man den Satz:

"Am 27. Januar 1945 hatten die Alliierten das Konzentrations- und Todeslager Auschwitz-Birkenau befreit."

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