Meinung

Lesermeinung: Der Ukrainekrieg und die "Lücken" in den deutschen Medien

Vor allem im deutschen Medienbetrieb triumphieren in der Berichterstattung zum Ukraine-Krieg fast immer die Meinungen über die Wahrheit. Einer unserer Leser hat sich Gedanken zu den "Lücken" und Auslassungen in den deutschen Mainstream-Medien gemacht.
Lesermeinung: Der Ukrainekrieg und die "Lücken" in den deutschen MedienQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people

Eine Lesermeinung von Michael W.

Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel führte zur "Wahrheit" aus:

"Das Wahre ist das Ganze."

Und weiter:

"Wahrheit ist es, vor der die Meinung erbleicht."

Leider erbleichen die Meinungen vieler – man kann fast schon sagen fast aller – Journalisten in unserem Land nicht vor der Wahrheit, im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gewinnen in der Berichterstattung fast immer die Meinungen gegen die Wahrheit. Das erste Hegelsche Prinzip, das "Ganze" zu betrachten, wird vernachlässigt, indem nur Teile betrachtet werden. Die Teile sind isoliert betrachtet wahr, aber eben nicht das Ganze.

Erster Teil, Putins Russland hat die Ukraine angegriffen, das stimmt. Die Behauptung, es habe sich um einen völlig unprovozierten Angriff gehandelt, stimmt aber nicht. Seit 2008, als auf der NATO-Tagung in Bukarest die USA die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens als Ziel deklarierte, hat Russland erklärt, dass eine solche Mitgliedschaft sich gegen seine Sicherheitsinteressen wende. Bundeskanzlerin Merkel war damals auch noch gegen die Aufnahme der beiden Länder in die NATO. Das hinderte die USA nicht daran, mit aller Macht und mit fünf Milliarden US-Dollar (Aussage von Victoria Nuland) einen Regimewechsel in Kiew herbeizuführen.

Erst die neuen Machthaber, die nach dem Maidan-Putsch 2014 an die Regierung gelangten, betrieben einen konfrontativen Kurs gegen Russland und nahmen das Ziel der NATO-Mitgliedschaft in die Verfassung auf. Darüber hinaus wurde von ihnen Russisch als Amtssprache verboten. Damit begannen die Loslösungsbestrebungen der russischsprachigen Gebiete Lugansk und Donezk. Die von Deutschland und Frankreich initiierten Verträge Minsk 1 und 2 wollten die Ukraine dazu bewegen, über eine föderative Staatsform, mit entsprechenden Rechten für diese Gebiete, das Problem zu lösen. Doch seitens der Ukraine wurden die Vereinbarungen sabotiert, im Gegenteil, man führte Krieg gegen die Gebiete.

In dessen Verlauf starben auf Seiten der Bewohner dieser Gebiete 14.000 Menschen. Bis 2022 spitzte sich die Lage bedrohlich zu. Daraufhin unterbreitete Russland den USA Ende 2021 ein Vertragsangebot zur Lösung der Probleme. Die mediale Berichterstattung über Russlands Vorschläge waren durchweg lügenhaft. Da wurde behauptet, Putin wolle, dass die östlichen seit 1990 neu aufgenommenen NATO-Mitglieder die NATO wieder verlassen müssten, das ist absolut falsch.

Es ist der Berliner Zeitung zu verdanken, dass der Kern der Vorschläge am 22.12.2023 in einem Beitrag von Leo Ensel veröffentlicht wurde. Wer es genau wissen will, kann die Vertragsentwürfe auf der Seite des russischen Außenministeriums in englischer Sprache herunterladen. Hier die Kernpunkte: Die Ukraine wird kein NATO-Mitglied; die USA und Russland vereinbaren, dass sie einander nicht als Feindstaaten ansehen; und Russland verlangt, dass sich die Militärkräfte der NATO-Staaten, die bereits 1990 Mitglied in der NATO waren, auf ihre Stellungen zurückziehen, die sie 1990 innehatten.

Wie auch Leo Ensel ausführte, es sind Vertragsentwürfe, über die zu verhandeln wäre. Das Ergebnis solcher Verhandlungen ist meistens nicht identisch mit den Entwürfen. Doch die NATO wollte nicht darüber verhandeln. Noch im Januar 2022 hatte der russische Außenminister Lawrow mit dem NATO-Generalsekretär gesprochen und Verhandlungen angemahnt. Von Seiten der NATO kam nur eisige Ablehnung. Nun glaubte Putin, die Angelegenheit militärisch lösen zu müssen. Ob er erkannte, dass dies womöglich ein Fehler war oder er der Ukraine eine Chance zur friedlichen Lösung geben wollte, ist ungewiss. Jedenfalls signalisierte er Verhandlungsbereitschaft, zuerst in Weißrussland und dann in Istanbul. Dort einigten sich die Verhandlungsführer auf einen unterschriftsreifen Vertrag, der von beiden Seiten paraphiert wurde.

Doch diese Lösung (die Ukraine hatte darin erklärt, ein neutraler Staat bleiben zu wollen) gefiel dem Westen nicht. Am 9. April 2022 reiste der damalige britische Premierminister Boris Johnson nach Kiew. In seinem Gespräch mit Selenskij riet er ihm, keinesfalls den Vertrag mit Putin abzuschließen, da es sonst keine Hilfen des Westens für die Ukraine gäbe. Im Gegenzug sagte er die Lieferung von 120 Kampfpanzern zu. Wer also wollte die unbedingte Fortführung des Kriegs? Auf eine "kleine Anfrage" der Linksfraktion im Bundestag (Drucksache 20/6106) vom 22.03.2023, in der die Fakten zu den Friedensverhandlungen detailliert dargestellt sind, antwortete die Bundesregierung am 12.04.2023 mit der Drucksache 20/6366. Die Antwort ist nichtssagend und im Übrigen "kommentiere man nicht die Gespräche zwischen anderen Staaten."

Warum werden die Fakten von den meisten Journalisten ignoriert? Die Ursache ist, dass sie sich davon verabschiedet haben, Moral und daraus abgeleitete Meinungen sind wichtiger. Die uralte journalistische Regel, sich mit keiner Sache gemein zu machen, wird permanent verletzt. Diese Haltung resultiert aus einer Überheblichkeit anderen Staaten gegenüber, wir haben das beste Regierungssystem der Welt und es ist unsere Aufgabe den Rest der Welt von unseren Werten zu überzeugen; wer sich dem widersetzt, ist unser potenzieller Feind.

Allerdings wird diese Haltung nicht konsequent durchgesetzt – nur gegenüber denjenigen, die wirtschaftliche und auch militärische Konkurrenten sind wie Russland und China. Gegenüber den meisten arabischen Staaten (wenn sie uns brav mit Rohstoffen versorgen) wenden wir solche moralischen Regeln nicht an. Zum "Ganzen" gehört auch, dass die meisten Konflikte seit 1990 im Hegemonialstreben unserer "Schutzmacht" und unseres Verbündeten USA begründet sind.

Die sogenannten "Neocons" – stellvertretend seien Wolfowitz und Kagan, der übrigens der Lebenspartner von Frau Nuland ist, erwähnt – haben die Strategie zur Sicherung ihrer Vormachtstellung theoretisch begründet. Dazu gehören auch 800 Militärstützpunkte, außerhalb des Territoriums der USA; kein anderes Land hat auch nur annähernd so viele, und China und Russland kommen zusammen nicht einmal auf 20.

Russland hat uns nicht den Krieg erklärt, sondern in Abwehr dieses Hegemonialstrebens hat es indirekt den USA den Krieg erklärt. Es will mit aller Macht die weitere Ausdehnung der NATO verhindern, deshalb der Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Der vorher erwähnte Leo Ensel hat in seinem Artikel auch aufgeführt, welche Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen die USA gegenüber Russland gekündigt haben. Im Bericht der Olof Palme Kommission von 2022 wird betont: Sicherheit ist nur gegenseitig möglich, also unter Berücksichtigung der Sicherheit des Gegenparts.

Genauso wenig wie in Afghanistan wird in der Ukraine unsere Freiheit verteidigt. Was ist das für eine Demokratie, in der bisher jeder Präsident mit der Unterstützung der Oligarchen an die Macht gebracht wurde, in der es 42 Denkmäler für den Juden- und Polenmörder Bandera gibt, in der Denkmäler von Puschkin geschliffen werden? Und in der 11 Parteien verboten sind, neben zahlreichen Medien. Nichts, was es zu verteidigen gilt!

Der kollektive "Westen" meint nun in Vasallentreue seiner Führungsmacht folgen zu müssen, wie auch im Afghanistankrieg. "America first" gilt und galt unter allen US-Präsidenten und es scheint, so langsam will sich auch die USA aus diesem Krieg verabschieden. Was dann? Wollen wir den Krieg allein als EU weiterführen, noch mehr Tote, noch mehr Zerstörung und Geld in diesen Krieg pumpen, das bei uns dringend für andere Aufgaben, Gesundheit, Wohnungen, Schulen, Infrastruktur, Klimawandel usw. gebraucht wird? Das kann und darf nicht die Lösung sein! Deshalb: Verhandlungen jetzt!

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