"Soll ich für die Toten antworten?" – US-Armee erhält unerwartete Antworten auf banale Frage
Am Donnerstag vergangener Woche veröffentlichte das Heer der Vereinigten Staaten ein kurzes Video, in dem ein Soldat in wenigen Sekunden erklärte, wie der Militärdienst aus ihm einen besseren Menschen gemacht habe. In einem weiteren fragte das Heer (also wohl die verantwortliche Social-Media-Abteilung):
Wie hat sich das Dienen auf euch ausgewirkt?
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Bis Montagvormittag deutscher Zeit wurde diese Frage über 11.000-mal beantwortet. In der großen Mehrzahl dieser Antworten beschreiben ehemalige Soldaten oder ihre Angehörigen, welche Zerstörungen und Verheerungen der Militärdienst an Körper, Geist und Seele der Dienenden angerichtet hat.
Beschrieben werden Verletzungen, Schmerzen, Vergewaltigungen, Traumata, Drogenprobleme, Schlaflosigkeit. Im Detail wird beschrieben, wie Menschen buchstäblich an dem im Dienst Erlebten zugrunde gehen und dabei vom Militär selbst im Stich gelassen werden. Hier einige Beispiele.
Es machte mir klar, dass wir Zahnräder sind, ich bin eine Kriegsmaschine, und wenn wir nicht mehr nützlich sind, werden wir weggeworfen. Wir benutzen diese falschen Glaubensbekenntnisse und [diese falsche] Ethik, um uns zu fühlen, als ob wir wichtig wären, und wegen der finanziellen Stabilität machen wir weiter. Es hat den zerbrochen und zerstört, der ich war.
It made me realize that we are cogs I’m a war machine and when we are no longer useful we are discarded. We use these fake creeds and ethics to make ourselves feel as if we matter and because of financial stability keep going on. It has broken and destroyed who I was.
— Seriously apathetic (@daynightlights) May 26, 2019
Soll ich für die Toten antworten? Sie können nicht mehr tippen. Mein Mann wurde wegen seiner Posttraumatischen Belastungsreaktion (PTSD) entlassen, dann bekam er wegen 'Agent Orange' Krebs und starb. Mein Cousin starb an durch Chemikalien verursachtem Krebs, mein anderer Cousin ist derzeit in Behandlung wegen der gleichen Sache und hat auch PTSD.
Do I get to reply for the dead? They can't type for shit anymore. My husband became an ex because of his PTSD, then he got Agent Orange cancer and died. My cousin died of Iraq chemical cancer, my other cousin is in remission from the same thing atm, and also has PTSD.
— Cyn The Witch, Inflammable (@CynHanrahanMcC) May 26, 2019
Operation Enduring Freedom (OEF), Operation Iraqi Freedom (OIF), PTSD mit chronischen Schmerzen. Ich verlor meine Frau, eine Chance, eine Bindung zu meinen Kindern aufzubauen. Schlimmer noch, ich habe mich selbst verloren. Es wird einfacher zu überleben, aber Krieg ist Krieg. Ich bin stolz, mich selbst geopfert zu haben, damit Menschen, die ich liebe, nicht am Krieg teilnehmen müssen. Liebt einander.
OEF, OIF ptsd with chronic pain. I lost my wife, a chance to bound with my children. Worse of all I lost myself. It’s getting easier to survive but war is war. I’m proud to have sacrificed myself so that people I love don’t have to participate in war. Love one another.
— Lighthorse (@Dan96904742) May 26, 2019
Fand meine Mutter nach ihrem Einsatz in Afghanistan mit einem Messer im Schrank, sie hat immer noch Angst vor Feuerwerkskörpern. Es hat mich beeinflusst, weil meine Mutter mental nicht mehr dieselbe sein wird. Also danke dafür.
Found my mother in the closet after her tour in Afghanistan with a knife, she’s still afraid of firework sounds. It’s impacted me because my mom won’t ever be the same mentally. So thanks for that.
— Nathan💍 (@naathantyler_) May 27, 2019
Ich verbringe schlaflose Nächte mit Schuldgefühlen, weil keines der Grauen und Leiden, die ich gesehen habe, wichtig ist; weil wir alle nur Schrot für eine Schmerzensmühle sind, die von Verrückten betrieben wird; denn wenn ich spreche und sage: 'Endloser Krieg ist falsch', ächten mich meine Kameraden, die von ihren eigenen Dämonen verfolgt werden.
I spend sleepless nights wracked with guilt because none of the horror and suffering I’ve seen even matters; because we’re all just grist for a pain-mill run by madmen; because if I speak up and say “endless war is wrong” my battle buddies, fighting their own demons, ostracize me
— Joe Burchett (@Trogluddite) May 26, 2019
Sexuelle Belästigung jeden Tag. Sexuelle Übergriffe erleben. Andere vor sexuellen Übergriffen schützen. Schlafen mit Messer und nachts mit dem Körper die Tür zuhalten, als ein betrunkener Mann gegen unsere Barackentür knallte. Eine Angst, die mich nie verlässt. So hat das Dienen mich beeinflusst.
Sexual harassment every day. Experiencing sexual assault. Protecting others from sexual assault. Sleeping w/ a knife @ night & holding my body against a door as a drunk male banged on our barracks door. A fear that never leaves me. That is how serving has impacted me.
— Hannah Funderburk (@HannahFunderbu3) May 26, 2019
Mein Onkel hat drei Einsätze im Irak und zwei in Afghanistan mitgemacht. Seine Geschichten sind entsetzlich, er leidet an PTBS und wegen einer Explosion an einer traumatischen Hirnverletzung. Er ist jetzt opiatabhängig und methsüchtig. Nach seinem letzten Einsatz schlug er seine Lebensgefährtin und würgte sie, als sie versuchte, ihn aus einem Albtraum zu wecken.
My Uncle served and did 3 tours one in Iraq and two in Afghanistan. His stories are horrific, he suffers from PTSD and a TBI from an explosion. He is an opiate and meth addict now. After his last tour he beat his fiance and choked her when she tried to wake him from a nightmare.
— Brit (@brit_brit07) May 27, 2019
Ich bin die ganze Zeit wütend und habe ein Alkoholproblem.
I'm angry all the time and I have a drinking problem.
— Cat City (@CatCitySliders) May 26, 2019
Der Kriegseinsatz meines Mannes und die PTSD, als er nach Hause kam, beendeten unsere Ehe, also fickt euch für die Einberufung, die ihn weggeschickt hat. Und fickt euch für die neun Jahre Hölle. Und fickt euch beim Veteranenministerium, weil es mir nicht geholfen hat, weil er nicht direkt erreicht hat. Fickt euch alle!
My husband’s combat tour and the PTSD when he got home ended our marriage so f*ck you for the backdoor draft that deployed him. And f*ck you for the 9 years of Hell. And f*ck the VA for not helping me because he wasn’t reaching out directly. F*ck all of you!
— Sarah the Really Pissed Off Mad Queen (@sarahpfeifferfl) May 27, 2019
Als Mutter war ich stolz auf meinen Sohn, als er sich in seinem letzten Schuljahr für den Dienst an seinem Land meldete. Er diente in drei Einsätzen im Irak. Dieser junge Mann, der sein ganzes Leben vor sich hatte, ist jetzt geistig und emotional bis zur Unkenntlichkeit gebrochen, und die Armee hilft nicht.
As a mother, I was proud of my son as he signed up to serve his country during his last year of High School. He served 3 deployments in Iraq. That young man with his whole life in front of him is now broken mentally and emotionally beyond recognition and the Army isn't helpful.
— aunttea (@AuntTea04) May 26, 2019
Das Agent Orange, dem mein Großvater in Vietnam ausgesetzt war, verursachte seinen Krebs und seinen Tod, und möglicherweise auch die verschiedensten Krankheiten und Störungen, die meine Mutter, meine Tante, meine Geschwister und ich haben. Die Armee und die Regierung kannten die Gefahren von Agent Orange, als sie es einzusetzen begannen.
The agent orange my grandfather was exposed to in Vietnam caused his cancer & death, and possibly caused the various diseases and disorders my mom, aunt, and me and my siblings have. The army and government knew the dangers of agent orange when they started using it.
— garbage boy stink man (@FLlewys) May 26, 2019
Wo fange ich an? Hatte neun Operationen, als ich 20 war. Sollte laut meinem Militärarzt und meinem zivilen Arzt nicht gehen, aber meine Führung kümmerte das nicht. Kann Teile meines Körpers nicht fühlen. Drei Selbstmordversuche, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, was es wahrscheinlich tut (traumatische Hirnverletzung).
Where do I begin? Had 9 surgeries by the time I was 20, wasn’t suppose to walk per my military doctor and my civilian doctor but my leadership made sure to not care, can’t feel part of my body, attempted suicide 3 times of my memory serves me correctly, which probably doesn’t TBI
— Brandon (@TheBeardInfidel) May 27, 2019
Mein Stiefbruder diente bei Desert Storm. Erlitt schreckliche PTSD, und die anschließenden Alkoholismus-und Suchtprobleme töteten ihn fast. Am Ende waren es die Paranoia und die Albträume. Er hatte immer eine Waffe unter seinem Kissen und erschoss sich versehentlich selbst.
My stepbrother served in desert storm. Suffered terrible PTSD and the subsequent alcoholism and addiction issues almost killed him. In the end tho it was the paranoia and nightmares. He always kept a gun under his pillow and accidentally shot himself.
— Molly Bess Rector (@mollybessrector) May 25, 2019
Lass mich überlegen. Ich habe nicht gedient, aber mein Bruder. Es war nie im Krieg und hat sich trotzdem in den Kopf geschossen. Er war die zärtlichste Person, die man sich vorstellen kann, und die Armee hat ihn ruiniert. Oh, warte, ich habe noch einen anderen Bruder, der auch gedient hat, ohne im Krieg zu sein. Er ist seit 40 Jahren paranoid und gewalttätig im Kopf, und ich weiß nicht einmal, wo er ist oder ob er noch lebt.
lemme think I didn’t serve but my brother didhe never went to war but still shot himself in the head so
— penni on the move (@Pennijj) May 24, 2019
Mein Bruder ist jetzt ständig betrunken, seine Alkoholabhängigkeit entstand aus seiner Unfähigkeit, mit dem PTSD fertig zu werden. Er diente in Afghanistan und musste Kinder töten, nur um zu mir, seiner kleinen Schwester, nach Hause zu kommen und in meinem Schoß zu weinen. Ich war acht.
My brother is now in a constant state of intoxication from his alcoholism he developed from being unable to cope with his PTSD. He served in Afghanistan and had to kill children, only to come back home to me, his little sister, and cry in my lap. I was 8.
— Mothman’s Bootycall (@lunarkind) May 26, 2019
Mein bester Freund trat der Armee direkt von der High School bei, weil seine Familie arm war, und er wollte eine College-Ausbildung. Er leistete seine Zeit ab und diente dann noch länger. Gerade als er bereit war, in den Ruhestand zu gehen, wurde er in den Irak geschickt. Ihr habt ihn in einer Kiste zurückgeschickt. Es zerstörte seine Kinder.
My best friend joined the Army straight out of high school because his family was poor & he wanted a college education. He served his time & then some. Just as he was ready to retire he was sent to Iraq. You guys sent him back in a box. It destroyed his children.
— 🎭 Coco Pazzo 🎭 (@CocoPazzo) May 24, 2019
Die Zusammenschau all dieser Tragödien bietet einen Eindruck davon, was für menschliche Kosten ein Imperium und seine ständigen Militärinterventionen mit sich bringen. Die Leiden auf der jeweiligen Gegenseite dürften noch deutlich größer ausfallen. Die typischen Freiwilligen beim US-Militär entstammen der unteren Mittelschicht.
Aus Sicht des US-Militärs dürfte sich das Posten des kleinen Werbevideos angesichts der Reaktionen als gewaltiger Fehlschlag darstellen. Am Samstag bedankte sich das Heer bei allen, die ihre Geschichte erzählt hatten, und versicherte, der Gesundheit und dem Wohlergehen der Soldaten verpflichtet zu sein. Dazu wurde eine Telefonnummer gepostet, unter der sich Veteranen in Krisensituationen beraten lassen können.
If you or someone you know is in need of help, please call the Veterans Crisis Line at 1-800-273-8255 (and press 1 to talk to someone NOW) or visit https://t.co/QWphIbzxEj
— U.S. Army (@USArmy) May 25, 2019
Täglich sterben in den USA durchschnittlich 20 Veteranen durch Selbstmord; im Jahr 2012 starben mehr Soldaten durch Selbstmord als durch Feindeinwirkung.
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