Wirtschaft

Die Ukraine hat sich zu einem Klondike für US-Investmentfonds entwickelt

Die größte Gefahr für den Weltfrieden geht nicht einmal von den Falken im Weißen Haus oder im Pentagon aus, sondern von mächtigen Investmentfonds, die auf ein Weiterlodern des Konfliktes zwischen den Atommächten gesetzt haben. Ihre Spuren in der Ukraine-Krise sind kaum zu übersehen.
Die Ukraine hat sich zu einem Klondike für US-Investmentfonds entwickeltQuelle: Gettyimages.ru © Spencer Platt/Getty Images

Von Irina Alksnis 

Ende letzten Jahres führten der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij und Larry Fink – der CEO der Investmentgesellschaft BlackRock – ein Gespräch per Videokonferenz. Das Gespräch war eine Fortsetzung der seit einigen Monaten sehr aktiven Zusammenarbeit zwischen der Führung in Kiew und BlackRock im Bereich der sogenannten "Koordinierung von Investitionen für den Wiederaufbau der Ukraine".

Die Nachricht sorgte vor allem in den ukrainischen Medien für Aufsehen und blieb dennoch außerhalb des Landes nahezu unbemerkt. Die einzige Ausnahme bildeten allerdings rechtsgerichtete US-amerikanische Medien, die die Situation von ihrem Beobachtungsturm aus betrachteten. Und was sie dort sahen, gefiel ihnen nicht.

Die Quintessenz ist einfach: Die Ukraine ist ein finanzieller und wirtschaftlicher Leichnam, dessen Vortäuschen von Lebendigkeit nur durch westliche (vor allem US-amerikanische) Dauerinfusion aufrechterhalten wird, wobei BlackRock dabei ein wirklich großer Akteur auf dem Investmentmarkt ist, der über Vermögenswerte im Wert von etwa acht Billionen Dollar verfügt.

Es stellt sich die Frage, woher die Mittel für die Entwicklung all dieser "Fahrpläne für den Wiederaufbau" und die weitere "Arbeit" der Investment-Gesellschaft in der Ukraine kommen sollen. Und die Mittel müssen in einer Höhe zur Verfügung stehen, die das ganze Projekt für einen Giganten der Branche wie BlackRock attraktiv machen. Die Antwort liegt jedoch auf der Hand: Die Mittel werden dort entnommen, wo sie bisher entnommen wurden – aus dem Haushalt der USA.

Daraus lässt sich eine einfache Schlussfolgerung ziehen: Die US-amerikanische, in Wirklichkeit aber die transnationale Investmentgesellschaft BlackRock ist an der Fortsetzung der militärischen Operationen in der Ukraine sehr interessiert, um mit diesem Krieg weiter Geld verdienen zu können.

Das ist natürlich nichts Sensationelles. Mitte Dezember kam es in Washington, D.C. zu einem weiteren Mini-Skandal, als vier große Konzerne des militärisch-industriellen Komplexes der USA – Northrop Grumman, Raytheon, Pratt & Whitney und Lockheed Martin – einen Empfang in der ukrainischen Botschaft anlässlich des Jahrestages der Ukrainischen Streitkräfte sponserten. Der Hype darum entstand nicht, weil die Waffenhersteller Geld spendeten, sondern weil die Organisatoren diese Tatsache des Sponsoring so prominent wie möglich herausstellten, unter anderem durch die Platzierung ihrer Logos auf den Einladungen. Lokale Kommentatoren bemerkten damals: Es ist nicht gut, es ist nicht anständig, so unverhohlen darauf hinzuweisen, dass das US-Militärgeschäft von diesem Konflikt in der Ukraine stark profitiert.

In dieser Situation wäre es am einfachsten, eine wütende Anklage gegen das transnationale Kapital und die Händler des Todes zu erheben, die sich an der Zerstörung der Ukraine die Hände wärmen und ein Interesse daran haben, den Konflikt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Es gibt jedoch auch eine weniger offensichtliche, aber weitaus bemerkenswertere Seite dieser Angelegenheit.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Behauptung eingebürgert, dass die Globalisierung und die transnationalen Unternehmen auf die Zerstörung der Nationalstaaten, auf deren Unterwerfung abzielen. Dies galt auch für die westliche Welt, und man ging davon aus, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und das alte Europa aufgrund ihres jahrhundertealten Status als geopolitische, wirtschaftliche, technologische und sonstige Führungsmächte auf dem Planeten auch in jedem neuen System eine privilegierte Stellung einnehmen würden. Genauso wie gewöhnliche Europäer und Amerikaner von dem Neokolonialismus profitiert haben (zum Beispiel in Form eines entwickelten Sozialsystems), den ihre Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere nach dem Zusammenbruch der UdSSR aufgebaut haben.

In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Entwicklungen eine ganz andere Richtung eingeschlagen haben als es die Theoretiker des Weltwirtschaftsforums in Davos geplant hatten: Die nichtwestliche Welt hat begonnen, sich immer aktiver gegen das Auferlegen der ihr zugedachten Rolle zu wehren. Das gilt nicht nur für die großen Zivilisationsmächte wie Russland, China oder Indien, von denen man so etwas noch hätte erwarten können. Nein, auch Länder, die der Westen jahrzehntelang (in einigen Fällen sogar jahrhundertelang) als seine Marionetten zu betrachten gewohnt war, haben begonnen, eine eigenständige Politik und eine immer konsequentere Durchsetzung ihrer nationalen Interessen an den Tag zu legen. Von Jahr zu Jahr gibt es immer mehr solcher Staaten – im Nahen Osten, in Lateinamerika und in Afrika. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Welt mit einer gewissen Verwunderung auf die Ukraine blickt: Wie kann man das eigene Land auf dem Altar der westlichen Hegemonie opfern? Und das noch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts!

Der Westen bemüht sich, die weiteren Ereignisse in eine von ihm gewünschte Richtung zu lenken, doch die Erfolge sind nicht beeindruckend. Angesichts der sich verschärfenden Krise und der zunehmenden Ressourcenknappheit schlug er den einzigen Weg ein, der ihm blieb – er begann, sich selbst zu kannibalisieren. Dies ist der Grund für den zunehmenden Groll selbst zwischen engsten Verbündeten wie Deutschland und Frankreich oder den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Das ist auch der Grund, warum die USA jetzt Europa das Genick gebrochen haben. Deshalb wird die Sozialhilfe eingeschränkt, die Bevölkerung zur Kältetherapie gezwungen und mit zunehmender Grausamkeit einer Gehirnwäsche durch Ideologien wie die des LGBT, der Euthanasie und anderer Ideen eines Transhumanismus unterzogen.

Und dann gibt es noch die Konzerne, die sich überhaupt nicht um das öffentliche Interesse kümmern, da ihr einziges Interesse der eigene Profit ihrer Investoren ist. Nun werden den westlichen Konzernen ganze Länder und Regionen vor der Nase weggeschnappt, die sie bisher als ihre Lehen betrachteten, so dass sie ihre Anstrengungen dorthin lenken, wo sich noch die Möglichkeit bietet, Geld zu verdienen. Und das ist in erster Linie der Westen selbst. Schließlich dient selbst die Ukraine, mit der unsere Analyse begann, nur als Durchgangsland und Waschmaschine für die Finanzströme, die auf beiden Seiten des Atlantiks ihren Ursprung haben.

Normalerweise sorgt der Staat dafür, dass Unternehmen bei ihrem Streben nach Gewinn nicht an Bodenhaftung verlieren. Die Frage ist nur, inwieweit die westlichen Staatsapparate in ihrem derzeitigen Zustand in der Lage sind, diese Funktion noch zu erfüllen. Das gebrochene Rückgrat Europas wurde bereits erwähnt. Das britische Chaos unter den kurzlebigen Premierministern hat der Welt die schwerste Regierungskrise auf der Insel vor Augen geführt. Vor diesem Hintergrund sehen die USA gut aus, aber im Grunde sind die Dinge auch dort sehr kompliziert – die tiefe soziale und politische Spaltung spiegelt sich auch in der Aufteilung der Bundesstaaten in "rot" und "blau" wider, also in solche, die von "konservativen Republikanern" beziehungsweise "liberalen Demokraten" dominiert werden.

Es ist nur natürlich, dass die Wirtschaft in einem geschwächten Regierungssystem zusätzliche Möglichkeiten hat, Einfluss zu nehmen, indem sie die von ihr gewünschten politischen Maßnahmen durchsetzt. BlackRock ist zum Beispiel eine der treibenden Kräfte, die den Immobilienmarkt in den USA verändern, wofür das Unternehmen von vielen Amerikanern gehasst wird.
Der Plan ist so einfach wie eine Brechstange: Investmentfonds kaufen mit ihrem riesigen Kapital massenhaft Wohnimmobilien im ganzen Land auf. Infolgedessen schießen die Immobilienpreise in die Höhe – immer mehr Amerikaner verlieren die Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben, und sind gezwungen, für den Rest ihres Lebens in Mietobjekten zu leben. Und da die Unternehmen immer mehr Mietwohnungen und Mietshäuser im Land besitzen, können sie die Mietpreise nach eigenem Gutdünken in die Höhe treiben, während die einzige Alternative (des selbst genutzten Wohneigentums - d.Red.) verschwindet. Das heißt, die Investmentbanker zerstören nicht nur den amerikanischen Traum vom eigenen Haus, sondern sie führen die Menschen auch in eine finanzielle Sklaverei, aus der dann ein Ausbrechen fast unmöglich ist.

Betrachtet man die Situation von außen, könnte man sagen, dass der Westen erntet, was er seit jeher sät. Das Problem ist, dass er über enorme Möglichkeiten verfügt, nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Schaden zuzufügen. Unternehmen, die die Schwächung des Staatsapparates für ihre eigenen Interessen nutzen, können nicht nur die Innen-, sondern auch die Außenpolitik des Landes beeinflussen. Großkonzerne aus verschiedenen Bereichen haben ein Interesse daran, die Ukraine so lange und so groß wie möglich am Brennen zu halten, die Konfrontation zwischen dem Westen und Russland wird dadurch immer härter und brenzliger. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Großkapital alle ihm zur Verfügung stehenden Hebel einsetzen wird, um dieses Ziel zu erreichen. Und diese Hebel werden – aufgrund der fortschreitenden Zersetzung im Westen – immer mächtiger und wirksamer.

Es muss also damit gerechnet werden, dass Fragen von Krieg und Frieden von Geschäftsleuten beeinflusst werden, die nur daran interessiert sind, ihre Konten mit ein paar weiteren Milliarden zu füllen. Diese Bedrohung für die Welt ist gefährlicher als es die Falken im Weißen Haus und im Pentagon ohnehin schon sind.

Der Artikel ist zuerst auf ria.ru erschienen.

Irina Alksnis ist eine russische Politologin und linksgerichtete Vordenkerin. Sie stammt aus einer berühmten lettisch-sowjetischen Politikerdynastie ab.

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