Deutschland

Konzerne im Verzug: Die "Preisbremsen" für Energie kommen nicht bei den Verbrauchern an

Die sogenannten "Preisdeckel" für Strom, Gas und Fernwärme sind seit Anfang März, rückwirkend zum 1. Januar, in Kraft getreten. Doch viele Haushalte warteten bisher vergeblich auf die versprochene Entlastung. Zudem fällt die "Entlastung" für reiche Vielverbraucher höher aus als für Arme.
Konzerne im Verzug: Die "Preisbremsen" für Energie kommen nicht bei den Verbrauchern anQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Christian-Ditsch.de

Von Susan Bonath

Am 1. März sind die sogenannten Energiepreisbremsen in Kraft getreten. Sie sollen rückwirkend zum Beginn dieses Jahres die für Privathaushalte ausufernden Kostensteigerungen für Strom, Gas und Fernwärme "abfedern". Doch viele Betroffene haben bisher nichts Positives dazu von ihren Versorgern und Vermietern gehört. Sie zahlen noch immer teils extrem hohe Abschläge. Das Bundeskartellamt befürchtet, die Konzerne könnten die Preisbremsen missbrauchen. Außerdem benachteiligt das Gesetz von vornherein arme Haushalte, die über kein Einsparpotential verfügen.

"Zu kompliziert": Versorger im Verzug

Eigentlich müssten alle Haushalte in Deutschland bis Ende Februar ein Schreiben von ihren Energieversorgern erhalten haben, das sie über die neuen, dank der Preisbremsen gesunkenen Abschläge für Strom und Gas oder Fernwärme informiert. Doch bei vielen hat sich bisher nichts getan. Einige Konzerne haben sogar aktuell ihr Angebot massiv verteuert – trotz der Preisbremsen und der inzwischen wieder gesunkenen Strom- und Gaspreise auf dem europäischen Energiemarkt.

Es sei "unglaublich kompliziert", das Gesetz umzusetzen, begründen beispielsweise die Leipziger Stadtwerke die Verzögerung, wie der MDR berichtete. Auch die Stadtwerke Magdeburg informierten demnach ihre Kunden lediglich darüber, dass sie diese jetzt "nicht rechtzeitig über die individuellen Entlastungen für Strom und Gas informieren können". Die Regelungen seien zu komplex. Ähnliches verlautbarten kommunale und private Versorger aus ganz Deutschland.

Arme Haushalte benachteiligt

In der Tat haben die Preisbremsen einige Tücken. So sollen etwa nur 80 Prozent des anhand der letzten Nebenkostenabrechnung prognostizierten künftigen Verbrauchs eines Haushalts gedeckelt werden. Die Bundesregierung will damit einen "Anreiz" zum Energiesparen schaffen.

Arme Haushalte haben jedoch, anders als wohlhabende Vielverbraucher, meist gar kein solches Einsparpotential in Gestalt bisher zu üppigen Verbrauchs. Denn sie mussten aus finanzieller Not heraus schon vorher ihren Verbrauch auf das Nötigste drosseln. Das bedeutet: Im Vergleich zu Menschen, die zuvor verschwenderisch mit Strom und Heizung umgingen, bekommen sie somit viel geringere Ausgaben gedeckelt. Sie werden dann gezwungen sein, für diese 20 Prozent insgesamt weiter den hohen, nicht gedeckelten Preis zu entrichten. Mit anderen Worten: Reiche Vielverbraucher erhalten besonders hohe Zulagen aus dem Steuertopf, arme Sparer viel geringere.

Preise zu wenig gebremst?

Die Preisbremsen gelten für Gas, Fernwärme und Strom. 80 Prozent der Gasabschläge privater Haushalte und Kleinbetriebe deckelt der Staat auf 12 Cent pro Kilowattstunde brutto. Für Fernwärme-Kunden begrenzt er den anteiligen Abschlagspreis auf 9,6 Cent, für Stromkunden auf 40 Cent pro Kilowattstunde. Die Preisbremsen sollen rückwirkend ab Januar gelten. Sie sind vorerst bis zum Jahresende begrenzt und können bis Ende April 2024 verlängert werden.

Verbraucherschützer kritisieren unter anderem, die Deckel seien viel zu hoch angesetzt. Der Strompreis beispielsweise lag 2021 im Durchschnitt bei 32 Cent pro Kilowattstunde. Gedeckelt wurde er nun auf 40 Cent brutto, also einen viel höheren Betrag. Aktuell bezahlen die Verbraucher nach Informationen von Verivox teilweise sogar mehr als 60 Cent pro Kilowattstunde. Trotz der damals schon beschlossenen Preisbremse rückwirkend zum Jahresbeginn erhöhten viele Unternehmen ihre Preise im Januar noch einmal drastisch.

Ein Haushalt mit einer Person verbraucht im bundesweiten Mittel etwa 1.300 Kilowattstunden Strom im Jahr, wie das Portal co2online.de angibt. Für Fernwärme legt der Heizspiegel einen mittleren Jahresverbrauch von 130 Kilowattstunden pro Quadratmeter für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zugrunde. Bei 50 Quadratmetern Wohnfläche wären dies etwa 6.500, bei 70 Quadratmetern rund 9.100 Kilowattstunden.

Für Gasheizungen gilt danach ein mittlerer Jahresverbrauch von 149 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche. Allerdings stieg der durchschnittliche Gaspreis für Endverbraucher von weniger als 8 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2021 auf zwischenzeitlich teils über 40 Cent. Viele zahlen diesen Preis noch immer.

"Träge" Weitergabe an Kunden

An der europäischen Börse liegt der Gaspreis allerdings längst wieder auf Vorkriegsniveau, trotzdem aber noch deutlich höher als bis 2020. Eine ähnliche Entwicklung ist beim Strompreis zu beobachten. Viele Konzerne gaben aber die bereits seit Oktober 2022 sinkenden Preise bisher keineswegs an ihre Kunden weiter. Nicht nur private Strom- und Gasanbieter halten diese Preise weiter hoch. Auch kommunale Versorger "zögern" mit der Umsetzung, obgleich die Konzerne nun rückwirkend zum Januar Geld vom Staat – also letztlich den Steuerzahlern – erhalten.

Einige der angefragten Stadtwerke begründeten dies auf Nachfrage der Autorin unter anderem mit Langzeitverträgen, aufgrund derer sie weniger flexibel beim Einkauf seien und die Energieträger zu höheren Preisen hätten abnehmen müssen. Auch würden die Fernwärmepreise "sehr träge" auf die Entwicklung am Markt reagieren, hieß es. Das verzögere die Weitergabe der Preissenkungen an Endkunden.

Auch von der sogenannten "Soforthilfe" der Bundesregierung ist bei Mietern bisher nichts angekommen. Damit erstattete der Staat den Versorgern die Dezember-Abschläge für Gas oder Fernwärme ihrer Kunden. Wer zur Miete wohnt, soll diese "Wohltat" aber erst mit der Betriebskostenabrechnung für 2022 erstattet bekommen. Damit können aber erfahrungsgemäß viele erst gegen Ende dieses Jahres 2023 rechnen.

Zocken Energieversorger ab?

Das Bundeskartellamt befürchtete allerdings schon im Dezember, dass Unternehmen die Preisbremsen dafür missbrauchen könnten, auf Kosten der staatlichen Zuschüsse aus dem Steuertopf besonders hohe Gewinne abzugreifen. Es versprach vorsorglich, solchen Verdachtsfällen nachzugehen.

Die Verbraucherzentralen wollen ebenfalls prüfen, ob und wie die Preisbremsen bei den Endkunden ankommen. Der Bundesverband sammelt dafür Erfahrungen aus der Bevölkerung. Zum derzeitigen Stand wollte die zuständige Verbraucherzentrale Niedersachsen auf Nachfrage der Autorin keine Auskunft geben. Sie begründete dies mit einem aktuell übermäßig hohen Hilfebedarf und einem entsprechenden Anfrageaufkommen. Auf ihrer Webseite informiert sie über die Preisbremsen.

Armut in Deutschland steigt

Angesichts wachsender Armut in Deutschland ist das Zögern der Energieversorger beim Umsetzen der staatlichen Hilfen besonders problematisch. Nie gab es einen so hohen Zulauf bei den (privaten) "Tafeln" für Bedürftige wie aktuell. Deren Bundesverband klagte kürzlich zum wiederholten Mal darüber, dass deren Helfer "physisch und psychisch am Limit" seien.

Etwa Zwei Millionen Abnehmer verzeichnen die "Tafeln" demnach aktuell. Real dürfte die Zahl der Hilfesuchenden weitaus höher liegen, denn viele Einrichtungen haben einen Aufnahmestopp verhängt. Es sei "keine Lösung, dass alle zu den Tafeln kommen", sagte demzufolge der Vorsitzende des Dachverbandes der "Tafeln", Jochen Brühl. Die Einrichtungen könnten nicht alles auffangen, was der Staat nicht schaffe. Es sei, so Brühl, eigentlich "genug da, nur nicht gerecht verteilt".

Ein Ende ist nicht abzusehen. Laut dem Statistischen Bundesamt zog die Inflation in Deutschland im Februar erneut an. Die Preise lagen demnach insgesamt um rund 9 Prozent höher als vor einem Jahr und einen Prozentpunkt über dem Niveau im Januar. Vor allem die Nahrungsmittel verteuerten sich danach erneut.

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