Meinung

Habeck und China: Die zweite Phase der wirtschaftlichen Selbstentleibung

Die Folgen der Sanktionen gegen Russland hätten eigentlich genügen müssen, um zu lehren, dass dergleichen keine gute Idee ist. Aber Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ließ sich erarbeiten, wie man sich von China entkoppeln könne.
Habeck und China: Die zweite Phase der wirtschaftlichen SelbstentleibungQuelle: www.globallookpress.com © Florian Gaertner

Von Dagmar Henn

Das Bundeswirtschaftsministerium hat abermals Steuergelder verschwendet, um eine im günstigsten Fall unnütze, im schlimmsten Fall schädliche Studie zu erstellen. Das Thema: wie man die "Abhängigkeit" von China beenden könne. Ein Papier im Umfang von hundert Seiten soll es sein, das zusammengestellt wurde; in der Regierung noch nicht abgestimmt, aber von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schon einmal abgesegnet.

Habeck erweist sich wirklich als Experte des ökonomischen Seppuku. Denn wenn die Sanktionen gegen Russland das Kurzschwert waren, das der deutschen Industrie in den Bauch gerammt wurde, wären Maßnahmen, auch noch die Verbindungen nach China zu kappen, dann das Langschwert in den Händen des freundlichen Helfers (den man getrost in Washington verorten kann), mit dem dieser dann dem Selbstmordkandidaten den Kopf abschlägt, falls die bisherigen Bemühungen nicht fatal genug sind.

Das Handelsblatt müht sich in seiner Berichterstattung sogleich, eine Rechtfertigung für die aberwitzigen Pläne mitzuliefern: Im Ministerium rechne man mit "einer Annexion Taiwans durch China bis spätestens 2027". Wobei sich nicht nur die Frage stellt, wie "China" "Taiwan" annektieren könne, wo doch auch die offizielle deutsche Position Taiwan als Teil Chinas sieht und kein Land sich selbst annektieren kann und des Weiteren logisch die Frage folgt, was eine innerchinesische Entwicklung das deutsche Wirtschaftsministerium angeht. Aber nicht nur das – in den Kommunalwahlen, die in Taiwan gerade stattfanden und die von der proamerikanischen Präsidentin zum Plebiszit über das Unabhängigkeitsstreben erklärt wurden, hat die Partei ebendieser Präsidentin so katastrophal schlecht abgeschnitten, dass sie vom Parteivorsitz zurücktreten musste. Sprich, die Bevölkerung der Insel hat das Angebot des Plebiszits angenommen und deutlich erklärt, auf die Rolle einer pazifischen Ukraine keinen Wert zu legen.

Natürlich sind es vor allem die USA, die darauf drängen, die Wirtschaftsbeziehungen zu China zurückzufahren, und Habeck hat nichts Besseres zu tun, als diesem Verlangen zu willfahren. Dabei hat er eben erst wahrgenommen, dass das Gesamtpaket aus Russland-Sanktionen und US-Subventionen für den Wirtschaftsstandort Europa ausgesprochen toxisch ist (wahrscheinlich wurden unter den Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums Streichhölzer gezogen, wer das dem Minister beibringen muss). Bei Menschen mit normaler Vernunft würde eine solche Erkenntnis dazu führen, gegenüber weiteren Wünschen eines Gegenübers, das einen gerade gewaltig über den Tisch gezogen hat, ein gewisses Misstrauen zu entwickeln und deren Bearbeitung auf die Ablage für Schaltjahre zu legen, aber wir reden hier von Robert Habeck.

Das Bundeswirtschaftsministerium werde künftig, so viel ist aus dem Papier bekannt, die Bürgschaften für einzelne Länder begrenzen, um, so heißt es, die Investitionen zu "diversifizieren". Das klingt nett, geht aber fälschlicherweise davon aus, dass die ganze Welt nur darauf wartet, zum Ziel einer solchen deutschen Investition zu werden. Und zwar unter Bedingungen, die künftig für dieses Land dann nicht nur Wirtschaftsbeziehungen mit Russland, sondern auch mit China ausschließen.

Selbst in Technologien, in denen Deutschland führend sein wolle, wie bei erneuerbaren Energien, sei China voraus, also ein gefährlicher Rivale, dessen Dominanz es zu bremsen gelte; das berichtet die NZZ über den Inhalt des Papiers. "Die Suche nach neuen Partnern und Märkten wird demnach empfohlen, etwa Asien-Pazifik, Lateinamerika und Afrika."

Und wovon träumt er nachts, der Bundeswirtschaftsminister? Auf welchem Kontinent will er diese Länder finden? Hat ihm jemand einmal die Liste der Länder vorgelegt, die BRICS beitreten wollen? Jedes einzelne dieser Länder hat damit ein Votum für den Fall abgelegt, dass es sich zwischen einem NATO- und einem BRICS-Wirtschaftsblock entscheiden müsse. Brasilien, der wichtigste deutsche Handelspartner in Lateinamerika, ist übrigens das B in BRICS. Nur, falls das Habeck noch niemand erklärt hat.

Die chinesische Global Times hat mit großem Genuss zeitlich passend einen Artikel veröffentlicht: "Mehr Länder und internationale Wirtschaftsorganisationen werden sich der Schädlichkeit der protektionistischen, entkoppelnden Politik der USA bewusst." Die internationale Gemeinschaft nähere sich immer weiter einem Konsens über die wirtschaftliche Schädlichkeit der protektionistischen Politik an, die von den USA und einiger ihrer Verbündeten praktiziert werde, wie über die Notwendigkeit, den freien Handel aufrechtzuerhalten, in dem China eine bedeutende Rolle spiele.

Man kann sich fast sicher sein, dass der chinesische Autor diese Formulierung mit einem breiten Grinsen im Gesicht verfasst hat. Schließlich war es der freie Handel, in diesem Falle mit Opium, den die Briten China einst mit Waffengewalt aufzwangen, in zwei Opiumkriegen, und diverse Familien der US-Ostküstenaristokratie verdanken ihren Reichtum ebendieser umstrittenen Handelsware. Dass nun die USA aus dem weltweiten Handel eine Art Privatgehege heraustrennen wollen, um ihre Schwäche zu kompensieren, kann nur zu Erheiterung führen.

Ausgerechnet die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgijewa, habe diese Bestrebungen der Deglobalisierung mit der Bemerkung kommentiert, man solle das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, und der Generaldirektor der WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, habe einen Rückgang der globalen Wirtschaft um fünf Prozent prognostiziert, würde die Welt in zwei Handelsblöcke zerbrochen.

Die Global Times zitiert dann einen chinesischen Experten mit dem Hinweis, dass die Aussage von Georgijewa nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz gefallen sei und sich diese Kritik auch gegen den Unilateralismus und die Entkopplungsbemühungen einiger deutscher Politiker richte.

Selbst Japan und Südkorea, die engsten Verbündeten der USA in Asien, wären zurückhaltend, was die Wünsche der USA nach einer Chip-Allianz angeht, die China ausschließen soll. Die niederländische Handelsministerin Liesje Schreinemacher habe erklärt, die Niederlande träfen ihre eigenen Entscheidungen, wem sie ihre Maschinen zur Chipherstellung verkauften. Auch Bundeskanzler Scholz soll bei seinem Besuch in China zugesichert haben, dass Deutschland gegen eine ökonomische Entkopplung stehe.

Das klingt nicht wirklich nach Harmonie in der Koalition, sondern eher nach anstehendem Streit. Entweder Scholz knickt abermals ein, vor Habeck und den "Freunden" jenseits des großen Teichs, oder im Bundeswirtschaftsministerium darf noch ein Streichholz abgebrochen werden, um zu klären, wer das jetzt dem Minister beibringt. Denn derjenige wird von Habeck dann bestimmt als chinesischer Agent gesehen.

Dabei gäbe es in diesem Ministerium viel wichtigere Arbeiten in Auftrag zu geben als Fantasien über die Abkopplung von China: herauszufinden, wie sich dieses Deutschland in eine Wirtschaft der Gleichen einfügen kann, wenn die kolonialen Machtverhältnisse beseitigt sind. Welche Zweige entwickelt werden sollten, um den Lebensstandard der Bevölkerung zu sichern, und wie man Alleinstellungsmerkmale wie den hohen Stand der beruflichen Bildung nutzen kann, um einen Platz in einer Welt zu finden, in der man nicht mehr den Herren geben kann, aber auch nicht mehr Knecht sein muss.

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