Meinung

Taiwan: Präsidentin verärgert mit ihrem USA-Flirt neben Peking auch die eigenen Wähler

China hat es satt, sich mit Tsai Ing-wen abzugeben, und auch ihre eigenen Wähler werden zunehmend nervös. Die einzige wirkliche Herausforderung für sie im Kontext der Demokratie besteht darin, dass sie aus dem Amt fliegen könnte, wenn sie ihre Wiederwahl im nächsten Jahr deshalb verliert, weil sie gegen die Interessen ihrer Wähler weiterhin mit dem Feuer spielt.
Taiwan: Präsidentin verärgert mit ihrem USA-Flirt neben Peking auch die eigenen WählerQuelle: AP © AP Photo / Ringo H.W. Chiu

Ein Kommentar von Bradley Blankenship

Am vergangenen Mittwoch traf sich die taiwanesische Staatschefin Tsai Ing-wen  in Kalifornien mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy, als sie bei ihrer Reise durch Zentralamerika einen Abstecher in die USA machte.

Viele US-amerikanische Kriegsgegner wie auch chinesisch-amerikanische Aktivisten und chinesische Kommentatoren kritisierten dieses Treffen als politisches Theater, das darauf abziele, die Spannungen in der Straße von Taiwan anzuheizen. Die Reaktion in Peking auf das Ereignis war erwartungsgemäß noch ernster.

Zunächst ein Wort zu dem, was Tsai bei ihrem Besuch beim laut Verfassung dritthöchsten Beamten in den USA gesagt hat. "Es ist kein Geheimnis, dass heute der Frieden, den wir bewahrt haben, und die Demokratie, an deren Aufbau wir hart gearbeitet haben, vor beispiellosen Herausforderungen stehen", sagte sie während einer gemeinsamen Erklärung mit McCarthy gegenüber der Presse. "Wir befinden uns wieder einmal in einer Welt, in der die Demokratie bedroht ist und die Dringlichkeit, das Leuchtfeuer der Freiheit am Leuchten zu halten, nicht unterschätzt werden darf."

Das Ironische an dieser Aussage ist, dass ihre Partei – die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) – bei den letzten Kommunalwahlen in Taiwan im November letzten Jahres so stark verlor, dass sie als Parteivorsitzende zurücktreten musste. Es war das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte dieser Partei, die Tsai und ihre Kollegen aufgrund ziemlich derselben Rhetorik erlitten haben, wie diejenige, die sie nun in Kalifornien verwendete.

Darüber hinaus ergab eine kürzlich von der Financial Times zitierte Studie der Academia Sinica, dass die Einwohner Taiwans zwar eine Bedrohung vom Festland verspüren, Uncle Sam jedoch durch die zunehmende Eskalation immer weniger beliebt ist. Die Studie ergab, dass 60 Prozent der Einwohner Taiwans zwar glauben, solche hochrangigen Besuche in den USA würden im Falle eines Krieges mit dem Festland eher dazu führen, dass Washington Truppen zur Verteidigung Taiwans entsenden wird, aber nur 42 Prozent wollen, dass diese Art der Beziehungen zu den USA unverändert fortgesetzt wird, und nur 39 Prozent wünschen sich eine noch engere Anbindung an die USA.

Laut James Lee, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Academia Sinica in Taipeh, halten nur 33 Prozent der Befragten die USA für glaubwürdig, dagegen halten sie 56 Prozent für nicht glaubwürdig. Es scheint also, dass es beim Besuch von Tsai bei McCarthy eher darum ging, ein internationales Image aufzubauen, als darum, den Wünschen der Einwohner Taiwans gerecht zu werden. Das scheint den von Tsai stets verkündeten "demokratischen Idealen" etwas zu widersprechen.

Außerdem meine ich, dass die Bewohner Taiwans schlau genug sind – wie es mein Freund Garland Nixon ausdrückte –, "um nicht zur Ukraine" werden zu wollen. In Zeiten der Krise zeigen die USA weiterhin ihre "Erfolgsbilanz" als völlig und außerordentlich unzuverlässiger "Verbündeter". Immer wieder hatte Washington irgendeinen Konflikt begonnen – ob direkt oder durch Stellvertreter – und am Ende die lokale Bevölkerung völlig verarscht: in Afghanistan, im Irak und in Syrien, um nur die jüngsten Fälle aufzuzählen.

Man schaue sich nur die Reaktionen vom chinesischen Festland auf dieses Treffen in den USA an: Am Vorabend der Begegnung zwischen McCarthy und Tsai startete Peking eine dreitägige Sonderoperation maritimer Patrouillen und Schiffsinspektionen im zentralen und nördlichen Teil der Straße von Taiwan, wie die Fujian Administration für maritime Sicherheit mitteilte.

Bei dieser konzertierten Patrouille setzt Peking auch Schiffe ein, die nicht zur Volksbefreiungsarmee gehören, um der Welt zu demonstrieren, dass Peking die rechtliche Zuständigkeit über die Meerenge hat, einschließlich der Gewässer östlich der Mittellinie, die praktisch die Seegrenze zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland bilden soll und 1955 von den USA festgelegt wurde. Im Grunde sagt China damit Washington und Taipei, dass deren künstliche Grenzziehung bedeutungslos ist und dass es, wie es sowohl nach internationalem Recht wie auch nach offizieller US-Politik der Fall ist, nur ein China gibt und Taiwan ein Teil von China ist.

Schließlich begann China am vergangenen Samstag mit einer Militärübung rund um die Insel, die bereits die zweite ihrer Art ist – nach der im August letzten Jahres, als die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi Taiwan besucht hatte. Die Botschaft aus Peking lautet wiederum, dass Übungen dieser Art in Zukunft zum Normalfall werden und bei Bedarf jederzeit in echte Kampfeinsätze übergehen können. Diesmal war die Militärübung intensiver, da sich nun auch Flugzeuge und Kriegsschiffe in der Nähe der Insel aufhielten, verstärkt Raketen abgefeuert und die Übungsziele erweitert wurden.

Die Reihenfolge der Ereignisse hier ist ziemlich offensichtlich. Tsai traf sich mit McCarthy, wozu sie nicht befugt ist, wenn man bedenkt, dass sie keine Diplomatin oder irgendeine andere anerkannte Offizielle aus China ist. Indes zeigte das Festland der Insel Taiwan, dass man in Peking nicht zu Spielchen aufgelegt ist, wenn es um die eigene Souveränität geht. Eine einfache Botschaft, die auch die meisten Einwohner Taiwans zu verstehen scheinen.

Um noch einmal auf die Äußerungen von Tsai in Kalifornien zurückzukommen: Die einzige wirkliche Herausforderung für sie im Kontext der Demokratie besteht darin, dass sie aus dem Amt fliegen könnte, wenn sie ihre Wiederwahl im nächsten Jahr deshalb verliert, weil sie gegen die Interessen ihrer Wähler weiterhin mit dem Feuer spielt.

Übersetzt aus dem Englischen

Bradley Blankenship ist ein in Prag lebender amerikanischer Journalist, Kolumnist und politischer Kommentator. Er hat eine Kolumne bei CGTN und ist freiberuflicher Reporter für internationale Nachrichtenagenturen, darunter die Nachrichtenagentur Xinhua. Er twittert auf @BradBlank_

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